Julia Collection Band 63
kaum mit der Arbeit nachkommen, so schnell waren die leckeren Teilchen verkauft. Ihre Töchter Cosette und Amie saßen vorn im Café und malten, und Mona bediente die Kunden. Seit vier Uhr früh war Lisette auf den Beinen. Jetzt war sie zum Umfallen müde. Sie hatte auch nicht gut geschlafen. Immer wieder war sie wach geworden und hatte an den vergangenen Abend und das Missgeschick denken müssen. Sogar ein paar Tränen hatte sie geweint. Das Ende war gar nicht gut gewesen.
Vielleicht konnte sie sich gleich einen Moment nach oben schleichen und sich ein wenig hinlegen. Im Geschäft war es jetzt etwas ruhiger geworden. Später am Nachmittag kämen wahrscheinlich die Touristen, die einen Kaffee bei ihr tranken, um sich aufzuwärmen. Vielleicht konnten sie auch der Versuchung nicht widerstehen und aßen von den feinen Törtchen.
Mona steckte den Kopf durch die Tür. „Lisette, es ist Besuch für Sie da. Ein Mann möchte Sie sprechen.“
Lisette erstarrte. „Wer ist es?“
„Calder Brown“, flüsterte Mona. „Er meinte, es sei sehr wichtig.“
„Sag ihm, dass ich hier jetzt nicht weg kann. Sag ihm, dass ich die Arbeit nicht unterbrechen kann. Ich werde irgendwann später mit ihm reden.“
„Sind Sie sich wirklich sicher, Lisette?“
„Mais oui“, antwortete sie versehentlich in ihrer Muttersprache. Erst als Mona sie erstaunt ansah, wiederholte sie: „Ich bin ganz sicher.“
„Wie Sie meinen.“ Mona verschwand wieder, und Lisette rang um Fassung.
Dieser von den Frauen verwöhnte Mann wird sicher nicht geduldig auf mich warten, versuchte sie sich zu beruhigen. Aber da hatte sie sich geirrt.
Als sie ungefähr zehn Minuten später ihr Tablett mit den Zimtschnecken nach vorn ins Café brachte, musste sie zu ihrem Schrecken feststellen, dass Calder Brown sich zu ihren Mädchen gesetzt hatte. Eine große Tasse Kaffee vor sich, sah er ihnen interessiert beim Malen zu.
Calder spürte ihre Nähe sofort und sah hoch. Ihr entgeisterter Gesichtsausdruck schien ihn nicht sonderlich zu beunruhigen. „Hallo!“, sagte er freundlich.
„Hallo!“ Verlegen wischte sie sich die Hände an ihrer großen weißen Leinenschürze ab. Darunter trug sie eine abgetragene Jeans und ein einfaches älteres T-Shirt. Für die Arbeit war diese Kleidung am praktischsten.
Mona witterte eine günstige Gelegenheit, zu verschwinden. „Darf ich jetzt meine Pause machen?“, fragte sie und griff bereits nach ihrer Jacke.
„Ja klar.“ Lisette konnte das nur recht sein. Je weniger Zuschauer sie jetzt hatte, umso besser. Keinesfalls wollte sie das Stadtgespräch werden.
„Mommy, schau doch, was wir Schönes gemalt haben!“, rief Amie.
„Wir haben die Truthähne rot und gelb angemalt, für Thanksgiving“, erklärte Cosette. Lisette trat langsam zu ihnen an den Tisch. Ihre Töchter waren beide hübsch, man hätte sie für Zwillinge halten können. Cosette, sechs Jahre alt, war nur wenige Zentimeter größer als ihre vierjährige Schwester. Alle zwei hatten von ihrer Mutter das herrlich schwarze Haar und die faszinierenden grünen Augen geerbt.
„Das habt ihr wunderschön gemacht. Wir werden sie zur Dekoration ins Fenster hängen.“
„Einen schönen guten Morgen.“ Calder stand auf, um sie mit Handschlag zu begrüßen. „Die Mädchen und ich haben uns gerade ein wenig bekannt gemacht.“
„Ach ja?“ Ihr fiel auf, dass er heute blass und übermüdet aussah. Aber in seinen Augen lag wie immer dieses verräterische Funkeln, so als amüsierte er sich köstlich. Wenn er den One-Night-Stand unter dem Küchentisch lustig fand, dann sollte er. Für sie war es alles andere als lustig gewesen. Ja, am liebsten hätte sie dieses Abenteuer für immer vergessen. „Sie wollten mich sprechen, Mr Brown?“
„Wir … haben gestern Abend nicht mehr an die Rechnung gedacht. Ich bin vorbeigekommen, um sie zu begleichen.“ Er zog ein Scheckbuch aus der Jackentasche. „Haben Sie die Rechnung zur Hand?“ Er wollte sie vor den Mädchen nicht bloßstellen und siezte sie jetzt auch.
„Ja, einen Moment, ich hole sie.“ Sie drehte sich um und ging zur Kasse, wo sie die unbezahlten Rechnungen aufbewahrte. Mit dieser verflixten Rechnung hatte gestern alles angefangen. Wenn die Tasche nicht vom Tisch gefallen wäre, ja wenn, dann wäre … alles nicht passiert, grübelte sie.
Calder Brown folgte ihr. Lisette fiel auf, dass er humpelte. Konnte dieser Mann nicht warten, bis sie zurückkam? Anscheinend nicht, denn er heftete sich so dicht an
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