Julia Exklusiv 0180
wusste sie, wer Yorke Mackinnon war. „Er ist bei Mrs. Fairfax, Zimmer 203“, informierte sie Sabina und erklärte ihr den Weg dorthin.
Mit einer Dreiviertelstunde Verspätung gelangte Sabina zu Zimmer 203. Sie hob die Hand, um zu klopfen, und zögerte. Jetzt, in sozusagen letzter Sekunde, hätte sie am liebsten alles noch abgeblasen. Sie wollte sich schon umdrehen und gehen, doch der Gedanke, dass Yorke dann bei ihr erscheinen und eine Erklärung – oder den Ring – verlangen würde, stimmte sie wieder um. Rasch klopfte Sabina an und ging ins Zimmer.
Yorke war tatsächlich da. Er saß neben dem Bett, stand aber sofort auf, als er sie erblickte, und übernahm das Kommando.
Dafür hätte Sabina dankbar sein sollen. Ihre Gefühle gerieten jedoch völlig durcheinander, als er zu ihr kam, ihr die Hände auf die Schultern legte und sie auf den Mund küsste.
Ihr war klar, dass das zu ihrer Rolle als Verlobte gehörte, aber sie musste sich anstrengen, Yorke nicht wegzustoßen. Ihr Herz pochte wie rasend, obwohl der Kuss ja nur Komödie war – seiner Großmutter zuliebe.
Endlich ließ Yorke Sabina los, und sie sah ihn an. Ihre Wangen brannten. Er lächelte, und sie wandte rasch den Blick von seinen schön geschwungenen, festen Lippen ab. Dann sah sie Yorke in die Augen, in denen ein eisiger Ausdruck stand, der das Lächeln Lügen strafte.
„Wo, zur Hölle, haben Sie gesteckt?“, flüsterte er und betrachtete sie, als würde er ihr am liebsten den Hals umdrehen.
„Im Stau“, erwiderte sie leise und lächelte ebenfalls. Obwohl sie sonst so ehrlich war, kam ihr die Lüge leicht über die Lippen.
Yorke nahm Sabina an der Hand und führte sie zum Bett, in dem eine weißhaarige, aristokratisch wirkende und immer noch schöne Frau sich in die Kissen lehnte.
„Pebbie“, sagte er liebevoll, „darf ich dir eine Frau vorstellen, die mir ebenfalls viel bedeutet: Sabina Constable. Sabina, das ist meine Großmutter, Mrs. Phoebe Fairfax.“
Sabina hasste es, seine Großmutter zu betrügen, die blass und krank aussah. Aber wenn es keinen anderen Weg gab, ihr den Lebensmut zurückzugeben, dann musste es eben sein.
„Guten Tag“, sagte Mrs. Fairfax mit schwacher Stimme und hielt Sabina die Hand hin.
„Wie geht es Ihnen?“, erkundigte sich Sabina. Plötzlich ahnte sie, warum Yorke sie nicht als seine Verlobte vorgestellt hatte, denn als sie Mrs. Fairfax die Hand schüttelte und Mrs. Fairfax’ Blick auf den Ring an Sabinas linkem Ringfinger fiel, wirkten ihre müde blickenden blauen Augen plötzlich wach.
„Was ist denn das?“, fragte sie, und ihre Stimme klang schon viel kräftiger.
„Ich sagte doch, dass ich eine angenehme Überraschung für dich habe“, mischte sich Yorke ein und ersparte Sabina damit eine Antwort.
„Ihr beiden seid verlobt?“, hakte seine Großmutter nach.
„Ich weiß, ich hätte dir den Ring eigentlich zurückgeben sollen“, antwortete Yorke. „Aber du sagtest ja, ich solle ihn der Frau geben, die ich heiraten möchte, und …“ Er lächelte Sabina an. „Dir gefällt er, oder, Liebling?“
„Es macht Ihnen doch nichts aus, Mrs. Fairfax?“, fragte sie leise, ihrer Rolle getreu, auch wenn alles geheuchelt war. Aber da man Yorkes Großmutter die wachsende Freude ansah und förmlich spüren konnte, wie ihr Lebenswille zurückkehrte, hätte Sabina sich um Kopf und Kragen gelogen, wenn es Mrs. Fairfax’ Genesung förderte.
„Meine Liebe, ich bin entzückt“, erwiderte Mrs. Fairfax und strahlte. Dann wandte sie sich Yorke zu und gratulierte ihm. Ihre blauen Augen leuchteten. „Wann wollt ihr denn heiraten?“
„Nicht bevor du aus dem Krankenhaus entlassen worden bist und dich so weit erholt hast, dass du eine Hochzeit und einen Hochzeitsempfang verkraftest“, beantwortete er geschickt die knifflige Frage und lächelte.
„Aber das kann noch eine Ewigkeit dauern“, protestierte seine Großmutter.
„Na ja, du kannst dir ja denken – jetzt, da du Sabina gesehen hast – wie ungeduldig ich bin, sie zu meiner Frau zu machen. Also …“
„Also reiße ich mich besser zusammen und werde schnell gesund“, beendete Mrs. Fairfax den Satz.
Kurz darauf meinte Yorke, dass seine Großmutter genug Aufregung für einen Tag gehabt habe. Sabina hatte allerdings den Eindruck, es habe Mrs. Fairfax sogar noch besser getan, Yorkes vermeintliche Verlobte kennenzulernen, als nur den Ring zurückzubekommen. Aber vielleicht täuschte sie sich auch.
Sabina war sich mittlerweile überhaupt
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