Julia Exklusiv 0180
können mir eine Frage stellen, danach bin ich dran. Das ist doch fair, oder?“ Rose’ Schweigen deutete er als Zustimmung. „Er war Pferdezüchter, sagten Sie?“
„Ich bin es, der Sie interviewt, Hassan.“
„Rennpferde?“
Eine Weile schwieg Rose, dann nickte sie. „Ja. Rennpferde.“ Danach erkundigte sie sich: „Hat sie ihn geliebt? Ihre Mutter?“
Das war’s. Zwei Worte. Vielleicht sollte er den Spieß umdrehen, ihr vor Augen halten, wie viel sie auf diese Weise aus ihm herausholen würde. Doch er brachte es nicht über sich. Eigentlich wusste er nicht, wie seine Mutter zu seinem Vater gestanden hatte. Sie war seine Frau gewesen. Das genügte. „Liebe ist eine westliche Gefühlsregung. Obendrein erst seit dem zwanzigsten Jahrhundert.“
„Meinen Sie?“
„Das ist eine Tatsache.“
„Dennoch sind Liebende seit jeher die Lieblinge der Literatur gewesen … Abélard und Heloise, Tristan und Isolde, Lancelot und Guinnevere.“
„Romeo und Julia“, ergänzte Hassan. „Vielleicht hätte ich es so ausdrücken sollen: Happy Ends sind eine Entwicklung des zwanzigsten Jahrhunderts.“
„Das würde ich unter ‚Weiß nicht‘ einordnen.“
„Wer weiß schon, wie es im Leben anderer zugeht?“ Hassan zog sich ein Kissen heran und schob es sich unter den Ellbogen. Rose saß mit angezogenen Knien auf dem Teppich und war ihm jetzt so nah, dass er ihre sanft gerundeten Brüste mit der Hand berühren konnte. Er litt Höllenqualen. Rose Fenton war nicht so leicht abzuschütteln. Also musste er versuchen, sich abzulenken. „Erzählen Sie mir von Ihrem Mann“, wiederholte er.
„Das wäre zu allgemein“, wehrte Rose ab.
Sie erwartete, dass er sein Innerstes vor ihr ausbreitete, legte selbst jedoch sofort den Rückwärtsgang ein, sobald er den Spieß umdrehte. „Sie haben meine letzte Frage mit zwei Worten beantwortet. Diesmal müssen Sie sich ein bisschen mehr anstrengen, sonst verlieren Sie Ihren Interviewpartner“, warnte er.
Rose goss sich aus der Thermoskanne ein Glas Eistee ein und sah ihn fragend an. Als er nickte, schenkte sie ihm ebenfalls ein. Sie musste Zeit gewinnen. Sie legte sich zurecht, was sie sagen wollte, während sie das kalte Glas in den Händen drehte und es an ihre erhitzte Wange hielt.
„Ich war frisch von der Universität gekommen und hatte bis zum Antritt meiner ersten Stelle im August nichts Besonderes vor. Da meinte Tim, ich könnte ihm helfen, das heruntergewirtschaftete Haus in Schuss zu bringen, das er gekauft hatte. Eines Abends begleitete ich ihn, als er zu den Ställen gerufen wurde. Dort lernte ich Michael kennen.“ Rose trank einige Schlucke Eistee.
„Und?“
Sie zuckte die Schultern. „Liebe auf den ersten Blick. Natürlich meinte meine Mutter, ich würde nur nach einer Vaterfigur suchen.“
„Ich habe schon überlegt, ob er älter war als Sie.“
Rose verzog das Gesicht. „Seine Kinder waren älter als ich … sechsundzwanzig und fast achtundzwanzig, selbstsüchtige Twens, die mehr Angst um ihre Erbschaft hatten, als dass es ihnen darum ging, ob Michael glücklich war.“
„War er glücklich?“ Es war unverzeihlich, das zu fragen, viel zu persönlich, das wusste Hassan. Doch obwohl er stets Privilegien genossen und in Reichtum gelebt hatte, hatte er das Gefühl, glücklich zu sein, in seinem Erwachsenenleben vermisst.
„Das hoffe ich. Ich war es jedenfalls. Michael war ein unglaublich liebenswerter Mann, und ich muss sein Leben ziemlich kompliziert haben.“
„Wegen seiner Kinder?“
„Seine Kinder, seine Exfrau, seine Freunde – alle waren gegen die Heirat. Bei den Männern war es purer Neid, während ihre Frauen …“ Die Frauen waren einfach in Panik geraten. Wenn Michael das tun konnte, bestand die Gefahr, dass ihre Männer es auch taten. „Er muss gewusst haben, wie alle reagieren würden, aber ich habe mich ihm buchstäblich an den Hals geworfen.“ Rose lächelte bei der Erinnerung daran. Es mussten schöne Erinnerungen sein, das konnte er sehen. Ihr Lächeln verschwand. „Der Ärmste hatte keine Chance.“ Das glaubte er ihr aufs Wort. „Er war viel zu sehr Gentleman, um mich fallen zu lassen. So unglaublich lieb.“
„Lieb.“ Nachdenklich wiederholte Hassan das Wort. Er konnte nur hoffen, dass die Frau, die Nadeem für ihn aussuchte, zumindest das auch von ihm sagen konnte. Doch als er Rose ansah, stellte er fest, dass es nicht genügte. Sekundenlang blickten sie sich in die Augen. „Rose …“ Als er ihren Namen
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