Julia Exklusiv 0227
Raum und machte die Tür hinter sich zu. Sekundenlang blickte sie auf die geschlossene Tür. Was war los mit ihr? Sie war doch sonst so kühl, distanziert, beherrscht und geschäftsmäßig. Nachdem sie einige Male tief durchgeatmet hatte, fühlte sie sich wieder besser. Randolfo hatte sie geküsst. Na und? Es war nicht das erste Mal, dass jemand sie küsste. Aber noch nie habe ich so heftig darauf reagiert, gestand sie sich ein und ging die Treppe hinauf. Am schlimmsten war jedoch, dass Randolfo es geschafft hatte, sie von dem eigentlichen Thema abzulenken.
„Ich hatte recht, die Jeans passen dir noch“, stellte Randolfo fest, als Julia eine Stunde später die Treppe hinunterkam.
„Wie gescheit du doch bist“, fuhr sie ihn gereizt an. Es war geradezu ein Schock für sie gewesen, dass die Hosen und Tops, die sie als Achtzehnjährige zurückgelassen hatte, gewaschen und gebügelt in dem Kleiderschrank ihres früheren Zimmers hingen. Sogar das Brautkleid war noch da. Dass ihr Vater nichts weggeworfen hatte, machte Julia traurig. Vielleicht hatte er sie auf seine Art doch gern gehabt.
Nachdem sie geduscht hatte, hatte sie Jeans und eine weiße Bluse angezogen und ihre Reitstiefel hervorgeholt.
Sekundenlang blieb sie auf der letzten Stufe stehen und musterte Randolfo von oben bis unten. Auch er hatte sich umgezogen. Statt des Geschäftsanzugs trug er jetzt ein schwarzes Hemd, dessen oberste Knöpfe geöffnet waren, sodass seine gebräunte Haut und die dunklen Härchen auf seiner Brust zu sehen waren. Dazu trug er hautenge schwarze Jeans, die seine langen Beine betonten. Julia bekam Herzklopfen, und ihr kribbelte die Haut, während sie auf ihn zuging.
Mit arroganter Miene stand er schweigend da und wartete darauf, dass Julia auf ihn zukam. Insgeheim verglich sie ihn mit einem Panther, der den ganzen Tag seine Beute beobachtet hatte und jetzt zum Sprung bereit war.
Schließlich blieb sie vor ihm stehen und schüttelte ärgerlich den Kopf. „Wir sollten uns beeilen. Ich habe nicht viel Zeit, denn ich will heute Abend noch nach Santiago zurückfahren“, erklärte sie energisch und ging an ihm vorbei durch die offene Haustür und hinaus in den Hof.
„Ich stehe zu deiner Verfügung.“ Randolfo lachte leise und folgte ihr.
In der hellen Nachmittagssonne blinzelte sie sekundenlang. Dann glaubte sie, ihren Augen nicht zu trauen, und lief über den Hof auf Sanchez zu, der zwei gesattelte Pferde am Zügel führte. „Sie ist noch hier!“ Sie sah Sanchez strahlend an und war den Tränen nahe. „Polly, meine Polly.“ Sie streichelte der kleinen gescheckten Stute den Hals und presste die Lippen auf das seidige Fell. „Ich kann kaum glauben, dass es sie noch gibt.“
Sanchez lächelte übers ganze Gesicht. „Ihr Vater hat darauf bestanden, dass sie gut versorgt wurde – falls Sie zurückgekommen wären.“
Julia blinzelte die Tränen weg und nickte. „Danke, Sanchez.“
Randolfo beobachtete die Szene. Dann griff er nach den Zügeln des schwarzen Hengstes und schwang sich in den Sattel. Julia zeigt mehr Gefühle für ihr Pferd als für ihren Vater, dachte er zynisch.
„Du hattest es doch so eilig, Julia. Sitz endlich auf“, forderte er sie kurz angebunden auf. Allzu gut erinnerte er sich daran, dass sie ihm die Arme genauso um den Nacken gelegt hatte wie jetzt ihrer Stute.
Julia saß auf und nahm den hübschen Blumenstrauß entgegen, den Sanchez ihr reichte.
„Für Ihren Vater.“
Carlos Diez war in der Grabstätte seiner Familie begraben worden. Sie lag an der dem Wind abgekehrten Seite eines Hügels. Julia beugte sich über das Grab, während Randolfo beide Pferde im Schatten eines großen, alten Baumes festhielt.
Es machte Julia traurig, dass ihr Vater ganz allein und ohne Angehörige gestorben war. Sie ließ den Tränen freien Lauf. Sie hatte ihn nie richtig gekannt und nicht gewusst, was er dachte, welche Hoffnungen und Ängste er hatte. In den wenigen Wochen, die sie mit ihm verbracht hatte, hatte er ihr Polly geschenkt und ihr ermöglicht, reiten zu lernen.
Er war stolz auf sein Land gewesen und darauf, dass er ein guter Polospieler war. Eine Zeit lang war er auch stolz auf seine Tochter gewesen. Er hatte sie seinen Nachbarn vorgestellt und sie ermutigt, sich mit Enrique zu verloben. Und er war glücklich gewesen, die Hochzeit vorbereiten zu können.
Doch er hatte Julia nie erlaubt, sich über die Grenzen seines und des Besitzes seiner unmittelbaren Nachbarn hinauszuwagen. Auch was er machte,
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