Julia Exklusiv 0227
KAPITEL
„Ich bin begeistert! Auf ein glückliches Wiedersehen.“ Peter Henderson hob das Glas und prostete Kate zu. „Ich konnte es kaum glauben, als ich Sie an der Straßenecke entdeckte“, fuhr er fort. „Ich habe gerufen, aber Sie waren offenbar in Gedanken sehr weit weg.“
„Es tut mir leid.“ Kate drehte das Glas in den Fingern. „Im Moment habe ich ziemlich viel im Kopf.“
Er musterte sie nachdenklich. „Ich habe Sie sehr erschreckt, stimmt’s? Sie sind immer noch ziemlich blass.“
Sie musste lachen. „Sie verstehen es, Komplimente zu machen!“
„Geht es Ihnen wirklich gut?“
„Ganz bestimmt.“ Sie sah sich in der überfüllten Weinbar um. „Das Lokal gefällt mir.“
„Mir auch, ich bin oft hier.“ Nach einer Pause erklärte er unvermittelt: „Ich habe immer wieder an Sie gedacht und mich gefragt, was Sie wohl machen.“
Kate senkte die Wimpern. „Ich habe auch an Sie gedacht.“
„Wirklich?“ Er schien sich so darüber zu freuen, dass Kate Gewissensbisse bekam.
„Und was macht der berühmte Autor?“, fragte er nach kurzem Zögern.
„Oh … er ist unterwegs.“ Sie blickte ihn nicht an.
„Ach, heißt das, Sie müssen heute nicht geradewegs nach Hause – und hätten vielleicht Zeit, mit mir essen zu gehen?“
„Sie haben sicher schon etwas anderes vor.“ Kate machte eine abwehrende Geste mit der Hand.
„Im Gegenteil, ich wäre froh, wenn Sie einwilligten, mir Gesellschaft zu leisten. Sonst würde ich den Abend allein verbringen.“
Ich kann ja nicht zugeben, dass ich überhaupt nicht die Absicht habe, seine Einladung abzulehnen, und dass meine Pläne mehr beinhalten als das Dinner, dachte sie reumütig.
Sie lachte. „Okay. Es ist sicher besser als ein Essen aus der Dose.“
Während Peter telefonisch einen Tisch reservierte, ging Kate zur Damentoilette. Sie betrachtete sich im Spiegel und wunderte sich über sich selbst. Ihre Augen glänzten, und ihre Wangen waren gerötet. Auf was lasse ich mich da eigentlich ein? fragte sie sich bestürzt.
Doch sie wusste natürlich, was sie tat. Man hatte sie belogen und betrogen, jetzt zahlte sie es Ryan mit gleicher Münze heim. Es war alles ganz klar und sehr einfach.
Ryan würde schon merken, dass nicht nur er das Recht hatte, untreu zu sein. Was für ihn galt, galt auch für sie.
Außerdem war ihre Ehe sowieso zerstört. Und dafür war Ryan verantwortlich. Sie, Kate, war wieder frei. Und wer kann schon wissen, ob Peter Henderson nicht eines Tages fest zu meinem neuen Dasein als Single gehört? überlegte sie und hob entschlossen das Kinn.
Wie so viele andere Frauen musste sie sich ein neues Leben aufbauen nach dem Scheitern ihrer Ehe. Doch plötzlich war sie sehr verzweifelt. Sie wollte ihre Ehe nicht aufgeben. Sie liebte Ryan viel zu sehr.
Aber das war eine Entscheidung, die sie nicht allein treffen konnte. Und Ryan hatte sich gegen sie entschieden. Es schmerzte so sehr, dass sie sich ganz elend fühlte. Irgendwie musste sie den seelischen Schock, den sie durch seine Untreue erlitten hatte, überwinden und mit der Verzweiflung fertig werden und weitermachen, um jeden Preis.
Sie konnte gleich an diesem Abend anfangen, sich selbst zu beweisen, dass sie noch begehrenswert war. Peter machte jedenfalls keinen Hehl daraus, dass er sie attraktiv fand.
Auch wenn es ihr jetzt so vorkam, als wäre alles aus, war sie bestimmt nicht dazu verdammt, in das schwarze Loch zu stürzen, das sich nach Ryans Treulosigkeit vor ihr auftat. Sie hatte immer noch ihren Stolz. Und sie würde nicht wie eine brave Ehefrau unterwürfig zu Hause sitzen, bis man ihr erklärte, man brauche sie nicht mehr.
Entschlossen nickte sie ihrem Spiegelbild zu und gesellte sich wieder zu Peter.
„Es ist ein neues französisches Restaurant“, sagte Peter im Taxi. „Es soll gut sein, habe ich gehört.“
O nein, bitte nicht das Amaryllis, bat Kate insgeheim. Und dieses Mal wurde ihre Bitte erfüllt.
Das Restaurant hieß „La Rivière“. Es war ein langer, schmaler Raum mit Holzfußboden. Die hübschen Bilder, die man auf die weiß getünchten Wände gemalt hatte, stellten französische Flüsse und Flusslandschaften dar. Kate erkannte sogleich das Loiretal mit den schönen Schlössern, die Île de la Cité an der Seine, die verträumte Dordogne und die Brücke von Avignon mit der Rhône.
Das Essen war köstlich. Als Vorspeise gab es pâté de campagne , danach ein kräftig gewürztes Fleischgericht.
Peter war ein angenehmer Gesprächspartner.
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