Julia Exklusiv 0227
erfasste sie. Das Geld musste mindestens ein Jahr reichen. „Aber das müsste ich sofort haben.“
Sekundenlang herrschte Schweigen.
„Nein“, antwortete Randolfo angespannt, während Julia ihn mit ihren grünen Augen bittend ansah. Sie meinte es zweifellos ernst. Zum ersten Mal in seinem Leben war er sprachlos. Für eine Frau, die er für geldgierig gehalten hatte, benahm sie sich sehr seltsam. Plötzlich ließ sie verzweifelt die Schultern hängen. Offenbar glaubte sie, gar nichts zu bekommen.
„Julia, wir können uns auf den Betrag einigen, den du zuerst genannt hast“, erklärte er. Wie schafften sie und ihre Mutter es, das Geschäft erfolgreich zu führen, wenn sie, was Geld betraf, so weltfremd waren? Doch das war nicht sein Problem.
Als er nach Carlos’ Tod dessen Papiere und Unterlagen durchgesehen hatte, hatte er eine verblüffende Entdeckung gemacht. Deshalb wollte er alles so rasch wie möglich und zur Zufriedenheit aller Beteiligten regeln und sich dann wieder um sein eigenes Unternehmen kümmern.
Julia war grenzenlos erleichtert. „Wirklich?“
„Natürlich.“ Er lachte leise, ehe er ihre Hand nahm und Julia hochzog. „Ich schreibe dir gleich einen Scheck aus. Aber ich muss einige Bedingungen daran knüpfen. Du wohnst hier auf der Hazienda statt im Hotel während deines Aufenthalts in Chile. Das bist du deinem Vater schuldig, denn er hat sich gewünscht, dass du ein ganzes Jahr hier verbringst.“
„Mein Gepäck ist im Hotel.“
„Das kann morgen mein Chauffeur holen.“
„Okay“, stimmte sie zögernd zu. Als Randolfo sie anlächelte, bekam sie Herzklopfen. „Wie lauten die anderen Bedingungen?“
„Wenn du es dir in den nächsten Tagen anders überlegst und doch hier bleiben willst, werden wir heiraten und uns nach einem Jahr scheiden lassen. Wenn du dann deinen Anteil an der Hazienda verkaufen willst, verkaufst du ihn mir.“
Sie bemühte sich, die Gefühle zu ignorieren, die er in ihr weckte. „Das wird nicht geschehen“, erwiderte sie.
„Gut. Aber das ist nicht gerade ein Kompliment.“ Er lächelte spöttisch. „Ich werde jedoch einen Vertrag aufsetzen und mir von dir unterschreiben lassen, dass ich im Fall eines Falles das Vorkaufsrecht habe. Am Ende der Woche werde ich dich zum Flughafen bringen.“ Er ließ ihre Hand los und trat einen Schritt zurück. Dann sah er sie an und kreuzte die Arme über der Brust. „Aber ich muss Ester nach meiner Rückkehr nach Italien eine Antwort überbringen …“
„Sie wird sich sicher freuen, dass sie die Hazienda, auf der sie aufgewachsen ist, behalten kann“, unterbrach Julia ihn.
„Das ist ihr egal. Sie ist seit vierzig Jahren nicht hier gewesen. Doch ihr ist nicht egal, dass sie das einzige Kind ihres Bruders noch nicht kennengelernt hat. Deshalb habe ich die strikte Anweisung, die Einladung zu wiederholen, die sie dir vor einigen Jahren geschickt hat. Sie möchte, dass du sie in Italien besuchst.“
„Ich weiß nicht …“
„Ob du dazu Zeit hast, weil du sehr beschäftigt bist?“, unterbrach er sie ironisch.
Seine spöttische Bemerkung verriet Julia, dass er immer noch eine sehr schlechte Meinung von ihr hatte.
„Okay, ich werde es versuchen“, versprach sie.
„Sorg bitte dafür, dass es klappt.“
Etwas in seiner Miene machte sie stutzig. „Ist es wichtig für dich?“, fragte sie unsicher.
Randolfo nahm ihre Hand. „Ja. Es liegt mir viel daran, dass du sie besuchst, Julia.“ Er lächelte leicht.
Seine warme Hand wirkte seltsam beruhigend auf sie. „Ich würde meine einzige Tante auch gern kennenlernen“, erklärte sie lächelnd. In dem Sommer, als Ester von Randolfo erfahren hatte, dass sie eine Nichte hatte, hatte sie ihr geschrieben, sie würde sich über ihren und den Besuch ihrer Mutter freuen. Julias Mutter wollte jedoch nichts mehr mit der Familie Diez zu tun haben. Sie hatte es ihrer Tochter freigestellt, nach Italien zu fliegen. Da Julia nicht gern Briefe schrieb, hatte sie Ester nur eine Weihnachtskarte geschickt und sich für die Einladung bedankt. Danach hatten sie sich gegenseitig Weihnachtsgrüße geschickt, und das war alles.
„Sind wir uns einig?“, fragte er rau und drückte ihre Hand. Vielleicht war sie doch nicht ganz so herzlos und geldgierig, wie er geglaubt hatte.
„Ja“, erwiderte sie leise.
Schweigend sahen sie sich an. Plötzlich war die Atmosphäre zum Zerreißen gespannt. Sie spürten beide, wie sehr es zwischen ihnen knisterte. Doch sie wollten es sich nicht
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