Julia Exklusiv Band 0197
bringen. Gib es hier im Dorf einen?“
„Ich … ich weiß nicht …“, antwortete William unglücklich.
Sie holte tief Luft und ergriff seine Hände, um sich selber ebenso Mut zu machen wie ihm. „Okay“, sagte sie so ruhig wie möglich. „Ich bleibe hier bei Alice, und du gehst zur Versammlung rein und holst deinen Vater.“
Erleichtert nickte er. „Wenn Daddy kommt, wird es Alice gleich viel besser gehen“, meinte er zuversichtlich und rannte davon.
Cleo betrachtete wieder das blasse Kind, das die Besinnung verloren hatte, und ihr Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen. Wie sollte sie Maxim jemals vor die Augen treten, wenn Alice schwer verletzt war – seine Tochter, die er ihr anvertraut hatte.
Sie setzte sich zu ihr, strich ihr über das dunkle Haar, umfasste eine der kleinen Hände, um dem Kind trotz seiner Bewusstlosigkeit das Gefühl zu geben, dass es nicht allein war. Als sie den Kopf hob, sah sie Maxim auf sich zulaufen. Er sank neben Alice auf die Knie, dann blickte er Cleo grimmig an. „Wie ist das passiert?“
Stockend schilderte sie das Missgeschick, während er den Körper seiner Tochter abtastete, um nach Verletzungen zu suchen. Als Cleo verstummte, fuhr er sie wütend an: „Wie konntest du einfach weggehen und zwei kleine Kinder sich selbst überlassen?“
Verzweifelt versuchte sie, eine Erklärung abzugeben und sich zu entschuldigen. Aber er hörte gar nicht zu, hob Alice auf die Arme und trug sie zu seinem Auto, gefolgt von William. Behutsam bettete er sie auf den Rücksitz, während der kleine Junge vorn einstieg, und wandte sich zu Cleo, die bedrückt hinterhergeeilt war. Unsanft verfrachtete er sie in den Fond. „Halt sie vorsichtig fest, damit sie auf der Fahrt nicht hin und her geschüttelt wird!“, befahl er, dann setzte er sich ans Steuer und startete den Motor.
Der große Wagen raste auf schmalen kurvenreichen Straßen durch die Dunkelheit. Nach ein paar Meilen fragte Cleo mit unsicherer Stimme: „Wohin fahren wir?“
„Zur nächsten Klinik“, entgegnete Maxim kurz angebunden und konzentrierte sich wieder auf die Fahrbahn.
Eine halbe Ewigkeit schien zu verstreichen, bis das Auto vor einem großen Gebäude hielt. Aber wahrscheinlich war es nur eine Viertelstunde her, seit sie das Rathaus verlassen hatten.
Maxim stieg aus, hob Alice vorsichtig aus dem Fond und trug sie in die Klinik. Sein kleiner Sohn rannte ihm nach, und Cleo blieb im Wagen. Immer wieder rann ihr ein Schauder über den Rücken – aus verzweifelter Sorge um Alice und weil sie sich in der Nähe eines Krankenhauses befand, eines Orts, den sie fürchtete wie nichts sonst auf der Welt.
Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie im Auto saß. Alles in ihr drängte sie zu fliehen, weit weg von dieser Stätte der Krankheiten und des Todes. Doch sie harrte aus, rührte sich nicht, versuchte, möglichst ruhig zu atmen. Die Zeit schien alle Bedeutung zu verlieren. Endlich öffnete sich die Tür der Klinik, und Maxim kam heraus.
Nervös zuckte Cleo zusammen und fuhr sich mit der Zunge über ihre trockenen Lippen, als er die hintere Tür öffnete und sich zu ihr setzte. „Alice …“, brachte sie mühsam hervor. Mehr als dieses eine Wort konnte sie nicht sagen.
„Jetzt ist sie wieder bei Bewusstsein. Sie hat Kopfschmerzen, aber davon abgesehen, geht es ihr gut.“ Seine Stimme klang heiser und müde. „Sie wurde geröntgt und genau untersucht, und dabei konnten die Ärzte keine ernsthafte Verletzung feststellen. Trotzdem soll sie heute Nacht hierbleiben, nur zur Sicherheit. Falls keine Komplikationen auftreten, kann ich sie morgen nach Hause holen.“
Vor Erleichterung wurde ihr fast schwindlig. „O Gott, ich bin so froh! Ich hatte solche Angst …“
„Angst um Alice?“, unterbrach er sie in scharfem Ton. „Oder vor mir? Hast du dir ausgemalt, was ich sagen oder mit dir machen würde?“
„Beides“, gab sie zu. „Ich weiß, wie viel dir deine Kinder bedeuten, und ich hatte keine Ahnung, wie ich dir gegenübertreten sollte, nachdem das geschehen war.“
„Als ich Alice am Boden liegen sah, hätte ich dir am liebsten den Hals umgedreht“, gestand er zögernd. „Aber dann sprach ich mit William, während wir auf die Ergebnisse der Röntgenuntersuchung warteten, und da erzählte er mir etwas mehr. Du hast die beiden nur ein paar Minuten allein gelassen. Und nachdem du nie zuvor mit Kindern zu tun hattest, konntest du nicht wissen, wie schnell sie manchmal in Schwierigkeiten
Weitere Kostenlose Bücher