Julia Exklusiv Band 0197
Isobel benommen auf und trat einige Schritte zurück. Jetzt erst merkte sie, dass sämtliche Gäste die Szene beobachtet hatten, und vor Scham wäre sie am liebsten im Boden versunken. Doch dass ihr der eigentliche Schock noch bevorstand, wurde ihr schmerzlich klar, als Leandros sich von seinem Platz erhob.
Im selben Augenblick befiel sie der schreckliche Verdacht, dass er sich schweigend umdrehen und sie dem Gespött seiner Landsleute aussetzen würde. War er ihr deshalb gefolgt? Hatte er es darauf angelegt, sie in aller Öffentlichkeit zu demütigen und dann ebenso kommentarlos zu gehen, wie sie es am Vormittag getan hatte?
Ein metallenes Geräusch riss Isobel aus ihren Gedanken. Zunächst glaubte sie, Leandros hätte einige Münzen auf den Tisch geworfen – nicht um ihren Kaffee zu bezahlen, sondern um sie vollends zu erniedrigen. Erst als er sich unvermittelt setzte, überwand sie sich und sah auf den Tisch. Doch was sie erblickte, besänftigte sie nicht.
„Willst du ihn nicht wieder aufsetzen?“, fragte Leandros mit sichtlicher Genugtuung.
„Ich glaube nicht …“
„Tu, was ich dir sage“, unterbrach er sie schroff. „Solange wir verheiratet sind, muss ich darauf bestehen, dass du deinen Ehering trägst.“
„Das dürfte sich kaum lohnen“, erwiderte Isobel trotzig und nahm wieder Platz. „Schließlich steht unsere Scheidung unmittelbar bevor.“
„Irrtum“, entgegnete er triumphierend. „Ich habe doch klipp und klar gesagt, dass ich mich nicht mehr scheiden lassen will.“
„Ich aber!“, behauptete sie nachdrücklich, um wenigstens sich selbst zu überzeugen. Denn dass Leandros ihr nicht glaubte, stand ihm deutlich im Gesicht geschrieben. Und je länger er sie ansah, desto mehr lief sie Gefahr …
„Wie du meinst“, sagte er in diesem Moment, beugte sich vor und stützte sich mit den Ellbogen auf den Tisch. Nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass ihr Blick auf seine Hände gerichtet war, nahm er seinen Ehering vom Finger und legte ihn neben ihren.
Isobel wusste sofort, was Leandros mit dieser Geste bezweckte, und hielt unwillkürlich den Atem an. Mit klopfendem Herzen sah sie auf die beiden goldenen Ringe, die, von der Größe abgesehen, identisch waren. Und in beide waren dieselben Worte eingraviert.
Der Juwelier hatte sich zunächst über ihren Wunsch gewundert. Schließlich hatte er ihrem Drängen nachgegeben und den hoffnungslos romantischen Text in die Innenseiten der Ringe graviert. Denn da sie überstürzt und deshalb nur standesamtlich geheiratet hatten, wollten sie den Treuschwur, der für gute wie für schlechte Zeiten galt, auf andere Weise abgeben. Und die Worte Nichts sol l un s trennen waren ihnen besonders geeignet erschienen, weil sich in ihnen außer dem symbolischen Versprechen der Wunsch nach körperlicher Nähe ausdrückte.
Je blasser Isobel wurde, desto sicherer wurde sich Leandros, dass er es wagen konnte, aufs Ganze zu gehen. „Es gibt genau zwei Möglichkeiten“, sagte er, wohl wissend, für welche sie sich entscheiden würde. „Entweder gehen wir jetzt auseinander und lassen die Ringe hier liegen, oder wir stecken sie wieder an und überlegen gemeinsam, wie wir mit der Situation umgehen.“
Nervös befeuchtete sie sich die Lippen. Früher hatte sie das häufig gemacht, um ihn zu provozieren, und so musste Leandros sich beherrschen, um nicht aufzuspringen und sie zu küssen, bis sie endlich zur Besinnung kam. Isobel gehört zu ihm, und je eher sie es einsah, desto schneller könnten sie …
„ Du hast doch die Scheidung …“
„Erst musst du den Ring anstecken“, fiel er ihr ins Wort.
Er sah ihr deutlich an, wie sehr sie mit sich kämpfte. Zunächst schien es, als würde sie sich weigern, aber dann streckte sie die Hand aus.
Als Leandros beobachtete, wie sie ihren Ehering ansteckte, fiel eine zentnerschwere Last von ihm. Um Isobel zu zeigen, wie glücklich er war, folgte er ihrem Beispiel. Doch kaum saß sein Ring wieder dort, wo er hingehörte, hielt sie erneut eine Überraschung für ihn bereit – dieses Mal allerdings eine unliebsame.
„Und was passiert jetzt?“, fragte Isobel bissig. „Willst du unsere Anwälte zusammentrommeln und die Scheidungsformalitäten klären?“
Ihr aggressiver Ton konnte nicht darüber hinwegtäuschen, wie nah sie den Tränen war. Auch über die Gründe dafür machte sich Leandros nichts vor. Der Ring, den sie trug, war der sichtbare Beweis, dass sie nichts weniger wollte, als sich scheiden zu lassen.
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