Julia Exklusiv Band 238 (German Edition)
nannten die Perser einen solchen Garten pairidaeza .“
„Das klingt wie Paradies“, sagte Lucy. „Und so sieht es tatsächlich aus.“
„Daher kommt das Wort Paradies auch“, erklärte Hanif. „Ursprünglich wurde damit jedoch ein Garten bezeichnet, der von Mauern umgeben ist. Dieser hier heißt Rawdah al-’Arusah. Der Garten der Braut.“ Er reichte ihr ein Glas mit Orangensaft. „Er wurde von einem meiner Vorfahren für seine persische Braut angelegt, die Heimweh nach ihrem Garten hatte.“
Lucy ließ ihren Blick erneut über die prachtvolle Anlage schweifen. „Er muss sie sehr geliebt haben.“ Nachdenklich nahm sie einen Schluck Orangensaft. Bis vor ein paar Wochen hatte die Liebe in Lucys Leben keinerlei Rolle gespielt. Dann hatte sich innerhalb kürzester Zeit alles geändert.
Sie stellte das Glas ab und bewegte die Finger ihrer linken Hand, an der sie bis vorgestern einen einfachen Goldring getragen hatte. Anfangs hatte es sich ungewohnt und störend angefühlt, doch nun, wo der Ring fort war, vermisste sie die Sicherheit, die er ihr gegeben hatte. Das Gefühl, das die ganze Welt sehen konnte: Hier ist eine Frau, die geliebt wird.
„Sind Sie einmal verheiratet gewesen?“, fragte Hanif. Lucy wunderte sich, warum er die Vergangenheit benutzte, doch dann fiel ihr wieder ein, wie sorgfältig er nach ihrem Unfall ihre Hände gewaschen hatte. Das Fehlen eines Eherings war ihm dabei mit Sicherheit aufgefallen.
„Ich bin verheiratet“, sagte sie zögernd. „Seit sechs Wochen.“
„Sechs Wochen?“, fragte er erstaunt. „Ihr Ehemann lässt sie nach sechs Wochen Ehe schon aus den Augen?“
Lucy erinnerte sich daran, wie sie ihren Ehering nach ihrer Ankunft in Ramal Hamrah in den Müll geworfen hatte. Sie nahm ihren ganzen Stolz zusammen und sagte: „Mein Mann muss sich um dringende Geschäfte kümmern.“ Das hatte Steve ihr vor seiner Abreise erklärt, es war vermutlich das einzige Mal, dass er die Wahrheit gesagt hatte.
„So dringend, dass Sie beschlossen haben, ihn nicht mit der Nachricht von Ihrem Unfall zu belästigen?“
Zu spät wurde Lucy bewusst, wie das Ganze auf Hanif wirken musste. Hatte sie ihn kompromittiert, indem sie sich als verheiratete Frau in seine Obhut begeben hatte?
„Es tut mir leid“, sagte sie, „ich hätte Ihnen das von Anfang an sagen müssen. Ich kann gut verstehen, wenn Sie möchten, dass ich jetzt gehe …“
Er hielt ihre Hand fest, die schon nach den Krücken greifen wollte. „Sie müssen sich noch eine Weile ausruhen, um wieder zu Kräften zu kommen. Sie sind so lange in meinem Haus willkommen, wie Sie eine Zuflucht benötigen.“
„Eine Zuflucht?“, wiederholte sie und blickte auf seine Hand. Sie war groß und kräftig, und dennoch hielt er ihre Hand so vorsichtig wie einen verletzten Vogel.
„Habe ich das falsche Wort benutzt?“, erkundigte er sich.
„Nun ja, es hört sich an, als sei ich vor etwas auf der Flucht …“
„Wir sind alle auf der Flucht, Lucy, und sei es auch nur vor uns selbst.“ In diesem Moment schien ihm bewusst zu werden, dass er immer noch ihre Hand hielt. Er ließ sie los und griff stattdessen nach einem Teller.
Lucy, die seine warme Berührung immer noch auf ihrer Haut spüren konnte, sagte nachdenklich: „Es ist nicht nur das.“ Hanif war kein Mann, dem man etwas vormachen konnte. Außerdem verdiente er es, die Wahrheit zu erfahren. „Sie müssen wissen, dass der Wagen, in dem ich gefahren bin, nicht mir gehörte.“
Er hielt in seiner Bewegung inne und sah sie aufmerksam an. „Er war also geliehen?“
Ein merkwürdiges Gefühl warnte sie, dass er bereits wusste, was sie sagen würde. „Nein, nicht geliehen. Steve hatte mir erzählt, dass er der Geschäftsführer von Bouheira Tours ist. Vielleicht stimmt das aber auch gar nicht. Alles andere, was er gesagt hat, war schließlich auch gelogen. Wenn das so sein sollte, dann habe ich den Wagen wohl gestohlen.“
Er reichte ihr eine Schale mit Joghurt. „Probieren Sie einmal. Das ist selbst gemachter Joghurt aus Ziegenmilch. Möchten Sie Honig dazu oder frisches Obst?“
Sie sah ihn verständnislos an. „Haben Sie überhaupt gehört, was ich gerade gesagt habe?“
„Sie haben den Jeep von Bouheira Tours ohne Erlaubnis genommen.“ Er nahm sich selbst etwas von dem Joghurt. „Ich habe das Logo auf der Fahrertür erkannt, und deshalb haben wir uns als Erstes an Bouheira Tours gewandt, nachdem wir Sie ins Krankenhaus gebracht hatten. Wir dachten, dass Sie
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