Julia Exklusiv Band 238 (German Edition)
entweder eine Angestellte sind oder eine Kundin.“
„Dann wussten Sie also die ganze Zeit Bescheid. Das hätte ich mir denken können.“ Ihr Herz klopfte schneller. „Was haben sie gesagt? Wollen sie mich wegen Diebstahls anklagen?“
„Bouheira Tours hat erklärt, dass sie niemanden mit dem Namen Lucy Forrester kennen und dass auch keines ihrer Fahrzeuge fehlt.“
„Aber ich …“ Sie runzelte die Stirn. „Ich habe es von ihrem Parkplatz genommen. Die Schlüssel steckten im Schloss, und ich dachte …“ Hanif wartete ab, aber Lucy vermochte selbst nicht mehr zu sagen, was sie damals gedacht hatte. „Sie haben es doch auch gesehen.“
„Mag sein. Aber wenn Bouheira Tours darauf besteht, dass ihnen kein Fahrzeug fehlt, können sie auch keine Anzeige wegen Diebstahls aufgeben, habe ich recht?“ Er reichte ihr eine Schale mit Obst. „Hier, versuchen Sie eine der Feigen, sie wurden extra für Sie gepflückt.“
Verwirrt griff Lucy nach einer der blauroten Früchte und betrachtete sie. Sie sah ganz anders aus als die getrockneten Feigen, die jedes Jahr auf dem Weihnachtsteller ihrer Großmutter gelegen hatten. Als Kind hatte Lucy diese zähen, klebrigen Dinger gehasst, doch dies hier schien etwas vollkommen anderes zu sein.
Vorsichtig biss sie hinein. Ihre Augen weiteten sich überrascht, als sie den süßen, vollen Geschmack wahrnahm. Begeistert starrte sie die saftige Frucht in ihrer Hand an. „Das ist ja köstlich! Ganz anders, als ich gedacht hatte!“
Hanif lachte, offensichtlich erfreut über ihre Reaktion. Dann, als hätte ihn sein eigenes Lachen erschreckt, stand er auf und ging zum anderen Ende des Balkons. Dort blieb er stehen und legte die Hände auf das verzierte Holzgeländer, so als ob er im Begriff sei, sich jeden Augenblick über die Brüstung zu stürzen.
Er sah so einsam aus, dass Lucy ein starkes Bedürfnis verspürte, zu ihm zu laufen, die Arme um ihn zu legen und ihn zu trösten. Sie wollte ihm klarmachen, dass es in Ordnung war weiterzuleben. Dass es keinen Betrug darstellte zu lachen.
Wahrscheinlich war es ganz gut, dass die Krücken ein solches Vorhaben unmöglich machten.
Sie wusste schließlich nicht, was er durchmachte. Sie hatte keine Ahnung von Liebe oder Partnerschaft und war deshalb wohl kaum die Richtige, um ihm Trost oder gar gute Ratschläge zu geben.
Sie hatte außerdem das Gefühl, dass ihm sein Gefühlsausbruch unangenehm sein würde. Daher beschloss sie, ihm Zeit zu lassen, sich zu beruhigen, und widmete sich stattdessen dem reichhaltigen Frühstück.
Nachdem sie die Deckel der zahlreichen Teller angehoben hatte, entdeckte sie unter anderem Rührei, Ziegenkäse, frische Tomaten, Oliven und dünn geschnittenes Fleisch, das vermutlich Lamm war.
Ihr wurde bewusst, dass ihre Unfähigkeit, zu sagen, was sie essen wollte, den Köchen eine Menge Arbeit bereitet hatte. Sie gab ihr Bestes, um wenigstens alle dieser Köstlichkeiten zu probieren.
Dabei bemühte sie sich, die Gestalt ihres Gastgebers zu ignorieren, der immer noch unbeweglich an der Balkonbrüstung stand, doch es gelang ihr nicht. Sie hob den Blick von ihrem Teller und konnte auf einmal nachvollziehen, wie eine Frau sich auf den ersten Blick in ihn verlieben konnte.
Alles an ihm, sein ganzer Körper, strahlte Kraft, Stärke und Haltung aus.
Seine Augen waren durchdringend, sein Profil war wie aus Stein gemeißelt – und dennoch war Lucy sich sicher, dass er seine Frau stets zuvorkommend und zärtlich behandelt hatte.
In ihrem Hals bildete sich ein Kloß. Ob Steve ebenso zärtlich gewesen wäre? Wenn er nicht zu einem wichtigen Notfall gerufen worden wäre, hätte er ihr dann das Gefühl gegeben, eine Königin zu sein? Als Belohnung dafür, dass sie so leichtgläubig und naiv gewesen war?
Tränen stiegen in ihre Augen, und sie versuchte, sich wieder auf ihr Frühstück zu konzentrieren.
Als sie gerade dabei war, eine schwere Teekanne aus Silber hochzuheben, trat er wieder an den Tisch. „Lassen Sie mich das machen.“
Er nahm ihr die Kanne aus der Hand und goss ihnen zwei Tassen Tee ein. „Ich muss mich bei Ihnen dafür entschuldigen, dass ich Sie gerade allein gelassen habe. Aber es gibt Augenblicke, in denen mich die Erinnerungen quälen und in denen ich keine gute Gesellschaft für andere Menschen bin.“
Lucy hatte keine Erfahrung mit einem Verlust, wie Hanif ihn erlebt hatte, und hütete sich daher, ihn mit einer Plattitüde zu trösten. Doch sie wollte seinen Schmerz und seine Worte auch
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