Julia Extra 0353
waren verschlossen, ohne sein Wissen konnte niemand herein- oder hinausgelangen.
Hannah hatte sich tatsächlich umgezogen und einen Koffer gepackt. Aber sie kam nicht aus dem Palast. Die Tore waren verschlossen. Palastwachen standen davor. Sie flehte mehrere Wachen an, ihr zu öffnen, doch die Männer sahen sie nicht an und rührten sich nicht.
Schließlich gab sie es auf und setzte sich auf die Eingangstreppe des Palasts. Die Nacht war klar, und sie fröstelte, aber sie wollte lieber erfrieren, als wieder hineinzugehen.
Plötzlich hörte sie Zales tiefe Stimme hinter sich. „Hannah Smith, du schuldest mir eine Erklärung.“
Ihr Magen verkrampfte sich, eine Gänsehaut überzog ihre Arme. Langsam stand sie auf. Die Unterredung mit Zale würde alles andere als angenehm werden.
Sie sollte recht behalten. Stundenlang befragte er sie und wurde dabei immer wütender.
„Was du getan hast, verstößt gegen unzählige Gesetze. Du hast dich nicht nur als Prinzessin Emmeline d’Arcy ausgegeben, sondern Betrug und Meineid begangen. Je länger ich darüber nachdenke, desto überzeugter bin ich, dass du hinter Schloss und Riegel gehörst.“
„Zale, bitte …“
Doch er ließ sich nicht beschwichtigen. „Was für ein Mensch bist du bloß?“
„Aber ich wollte doch gar nicht herkommen …“
„Dennoch hast du es getan.“
Sie zuckte hilflos die Schultern. „Ich habe gehofft, dass Emmeline jeden Moment hier auftauchen würde und wir die Rollen zurücktauschen würden.“
„Was du getan hast, ist ein Verbrechen! Du hast dir unter Vorspiegelung falscher Tatsachen Zutritt zu meinem Land verschafft. Du hast eine falsche Identität angenommen und dich in Staatsangelegenheiten eingemischt. Eines dieser Vergehen dürfte schon für eine schwere Strafe reichen, aber gleich alle drei?“ Er schüttelte den Kopf. „Wieso hast du mir das angetan?“
„Es gibt keine Entschuldigung. Ich habe einfach dumm gehandelt. Sobald ich hier eingetroffen war, wurde mir klar, dass ich in Schwierigkeiten stecke. Aber ich wusste nicht, wie ich dem Ganzen ein Ende setzen sollte. Ich habe dich vom ersten Augenblick an gemocht …“
„Komm mir bitte nicht so.“
„Aber es stimmt. Ich habe mich auf den ersten Blick in dich verliebt. Natürlich wusste ich, dass du nicht mir gehörst, sondern Emmeline. Aber sie ist nicht gekommen, sondern hat mich gebeten hierzubleiben.“
„Also hast du einfach weiter die Prinzessin gespielt. Hast du geglaubt, dass niemand die Wahrheit herausfinden würde?“
Sie biss sich auf die Unterlippe. Das hatte sie tatsächlich geglaubt.
Er drehte sich um und gab einen verächtlichen Laut von sich. „Wenn ich mir vorstelle, dass ich mich beinahe in dich verliebt hätte. In eine Hochstaplerin! Gütiger Himmel, ich bin sogar mit dir ins Bett gegangen …“
„Das war nicht allein meine Schuld. Du wolltest es.“
„Ja, aber nur weil ich dachte, dass wir heiraten würden. Ich hatte keine Ahnung, dass du eine Amerikanerin bist, die es aufregend findet, sich als meine Verlobte auszugeben.“
„Aber ich wollte dich nicht belügen …“
„Aber du hast es getan, oder?“ Er trat zu ihr, hob ihren Kopf und sah ihr in die Augen.
Er würde ihr niemals vergeben können. Niemals.
Angewidert ließ er sie los. „Wo steckt Emmeline?“
Sie schüttelte den Kopf. „Ich weiß es wirklich nicht.“
Er drehte ihr den Rücken zu und ging zum Fenster, hinter dem die nächtliche Stadt lag. „Ich muss ihren Vater anrufen. Wir müssen die Gäste benachrichtigen, dass die Hochzeit ausfällt.“
„Kann ich irgendetwas tun, um dir zu helfen?“, fragte sie leise.
„Ja“, sagte er, ohne sich umzudrehen. „Du kannst gehen. Ich will dich nie wiedersehen.“
Noch vor Tagesanbruch machte Hannah sich auf den Weg. Dieses Mal ließ die Palastwache sie ungehindert passieren, und sie trat hinaus auf die Straße aus Kopfsteinpflaster.
Das Schlimmste war eingetroffen. Zale hatte die Wahrheit herausgefunden. Jetzt wusste er, dass Emmeline nicht kommen würde. Hannah konnte nach Hause zurück und ihr altes Leben wiederaufnehmen, ihre alten Freunde treffen.
Das war es doch, was sie die ganze Zeit gewollt hatte. Natürlich war sie im Augenblick noch traurig und verzweifelt, aber das würde sich sicher bald geben. Schließlich ließ sie sich so leicht nicht unterkriegen. Und mit etwas Glück würde sie sich eines Tages neu verlieben.
In der Altstadt angekommen, ging Hannah zum Bahnhof, um eine Fahrkarte zu lösen. Doch sie
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