Julia Extra 0353
er mit der Vergangenheit abgeschlossen hatte. Erst als sie allein im Hotelzimmer gesessen und gewartet hatte, waren ihr Zweifel gekommen.
Vielleicht war er in Wirklichkeit nie über seine erste Ehe hinweggekommen und liebte Becky noch immer. Seine kurzen Anrufe schienen fast wie eine Bestätigung dieser Gedanken.
Jennie sah Alex eindringlich an und bemerkte, wie müde und erschöpft er wirkte. Verlorenheit und Hoffnungslosigkeit lagen in seinem Gesicht. Obwohl ihr dieser Ausdruck Angst machte, hätte sie ihn am liebsten in den Arm genommen und getröstet.
Sie machte sich Vorwürfe, zu selbstsüchtig gewesen zu sein. Es war ihr immer nur um ihre Gefühle und ihre Bedürfnisse gegangen. Nicht ein einziges Mal hatte sie, während sie im Hotel auf Alex’ Rückkehr wartete, daran gedacht, wie es ihm wohl gehen mochte. Wie egoistisch von ihr! Obwohl sie sich redliche Mühe gab, erwachsen zu werden, schien sie so oberflächlich wie eh und je zu sein.
„Es gibt noch mehr, was du mir nicht erzählt hast, nicht wahr?“
Er nickte bedrückt. „Becky ist tot.“
Jennie war wie gelähmt.
„Aber … aber warum hast du mir nicht erzählt, dass es so ernst ist? Du sagtest doch, es ginge ihr besser, sie würde es schaffen …“
Er blickte zur Seite und wirkte völlig verloren.
„Ja, das stimmte auch. Aber dann ging es ihr plötzlich wieder schlechter. Die Ärzte konnten nichts tun.“
„Aber …“
„Ich habe versucht, es dir zu sagen.“ Sein anklagender Blick sprach Bände. „Aber du hast das Gespräch einfach beendet und dein Handy ausgeschaltet.“
Jennie ließ den Kopf hängen. Ihr hitziges Temperament brachte sie immer wieder in Schwierigkeiten. Aber sie war einfach unglaublich wütend auf Alex gewesen! Mitten in den Flitterwochen war er abgereist und hatte sich die nächsten Tage immer nur ganz kurz bei ihr gemeldet, um ihr den Stand der Dinge mitzuteilen. Dann war zwei Tage gar kein Anruf gekommen und schließlich nur eine kurze Nachricht, dass er nicht nach Paris zurückkommen würde. Er hatte sie gebeten, mit dem Zug zu ihm zu kommen. Er brauchte sie dort und wollte ihr wichtige Dinge sagen.
Damit schienen sich alle ihre Befürchtungen zu bestätigen. Offensichtlich hatte Alex seine Prioritäten geklärt und wollte zu seiner ersten Frau zurück. Das hatte Jennie jedenfalls geglaubt.
Sie hatte daraufhin ihre Sachen gepackt und eine Stunde später das Hotel verlassen.
Oh, sie schämte sich jetzt so für ihr mangelndes Vertrauen. Ihr Vater hatte wohl doch recht – im Grunde war sie immer noch ein Kind. Wie sehr musste sie Alex verletzt haben!
„Aber das ist noch immer nicht alles, oder?“, fragte sie stockend.
Er schüttelte den Kopf. „Nein, es gab noch etwas, was ich herausgefunden hatte. Aber das wollte ich dir auf keinen Fall am Telefon sagen.“
Jennie sah ihn alarmiert an. „Warum nicht?“
Alex sah beschämt weg.
„Du hast mir nicht vertraut“, sagte sie leise.
Niemand hatte ihr jemals ein wirkliches Geheimnis anvertraut. Sie war Jennie, die beliebte Partyqueen. Mit ihr konnte man viel Spaß haben, aber so richtig ernst nahm man sie nicht.
Alex schüttelte den Kopf. „Nein, das kannst du mir nicht vorwerfen. Du warst es, die kein Vertrauen hatte. Du hast mir nicht geglaubt, als ich versprochen hatte, so schnell wie möglich zurückzukommen.“ Die letzten Worte schrie er fast.
Auch Jennie wurde jetzt laut. „Es waren unsere verdammten Flitterwochen, Alex! Ob du es glaubst oder nicht, aber ich habe erwartet, dass wir sie zusammen verbringen!“
„Aber ich … ich bin doch zurückgekommen.“
Sie sah ihn fassungslos an und ließ sich in einen Sessel fallen. „Wirklich?“
Er war gekommen, war ihr hinterhergereist? Aber das war doch gar nicht möglich, das hätte sie doch gewusst!
Eine Woche nach ihrer Blitztrauung in Las Vegas waren sie nach Paris geflogen, wo Alex am nächsten Tag den schicksalhaften Anruf bekommen hatte. Er hatte versprochen, spätestens nach vierundzwanzig Stunden zurück zu sein. Aber er kam nicht, und die Warterei im Hotel hatte sie verrückt gemacht.
Es waren schreckliche Tage der Einsamkeit gewesen. Wie in den Wochen nach dem Tod ihrer Mutter war sie sich völlig verloren und orientierungslos vorgekommen.
Das Hotel in Paris zu verlassen war schließlich ein panischer Akt gewesen, ohne jede Vernunft. In dem Augenblick hatte sie tatsächlich geglaubt, dass es mit ihrer Ehe aus und vorbei war. Warum hatte sie nicht ein wenig mehr Geduld aufgebracht und
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