Julia Extra 0353
einem langen Schlaf zu vergleichen. Das war bestimmt keine gute Idee gewesen, aber Jennie wollte Mollie nicht noch mehr durcheinanderbringen und vermied es daher, direkt zu antworten.
„Ich dachte, wir machen einen Spaziergang im Park. Hättest du Lust darauf?“
Mollie nickte, und Jennie atmete auf. Eine Viertelstunde später waren sie gestiefelt und gespornt auf dem Weg zum Park, der am Ende der Straße lag.
Sie waren ganz allein, denn der graue Januarnachmittag forderte nicht gerade dazu auf, die Zeit im Freien zu verbringen. Es hatte zwar nicht geregnet, aber die Wolken hingen tief am Himmel, und die Luft war feucht.
Gezielt steuerten sie auf den Kinderspielplatz zu. Mollie liebte das kleine Kettenkarussell und lief sofort dort hin. Jennie ließ sich auf einer der Schaukeln nieder und behielt die Kleine im Blick.
Schon als Kind hatte sie gern geschaukelt. Außerdem konnte man dabei am besten nachdenken. Natürlich kehrten ihre Gedanken sofort zu dem Punkt zurück, der sie am meisten beschäftigte. Was war nur mit Alex los? Jetzt hatten sie schon zwei Nächte lang das Bett miteinander geteilt, und sie hatte ihm mehrmals signalisiert, dass sie sich mehr als nur seine Küsse wünschte. Aber in letzter Minute hatte er sich immer wieder zurückgezogen.
Warum? War er immer noch verletzt, weil sie in Paris abgereist war?
Jennie schaukelte höher und höher, während ihr Haar vom Wind vor und zurück geweht wurde. Das Schwingen der Schaukel beruhigte sie.
Nein, Alex wollte sie nicht bestrafen, das lag nicht in seiner Natur. Wahrscheinlich war es genau andersherum – er wartete darauf, dass sie die Initiative ergriff. Ja, so würde es wohl sein. Sein Verhalten hatte nichts mit Zurückweisung zu tun, sondern mit Geduld. Jennie stieß einen erleichterten Seufzer aus. Es wäre ihr lieber gewesen, wenn sie darüber miteinander gesprochen hätten, aber sie begann langsam zu verstehen, dass das nicht seine Art war.
Vielleicht heute Nacht … wenn Mollie endlich im Bett lag …
Ein Lächeln breitete sich auf Jennies Gesicht aus. Leichtfüßig sprang sie von der Schaukel und sah, dass der Himmel inzwischen eine dunkelblaue Färbung angenommen hatte. Es war Zeit, nach Hause zu gehen.
Sie blickte zum Kettenkarussell hinüber, konnte Mollie aber nirgendwo sehen. Lediglich ihre blaue Mütze lag noch unter dem Karussell. Die Bäume und Büsche warfen bereits lange Schatten, es war schwierig, alle Umrisse noch genau zu erkennen. Nervös blickte Jennie angestrengt über den Spielplatz.
Mollie war verschwunden.
9. KAPITEL
Von panischer Angst ergriffen, suchte Jennie verzweifelt jede Ecke des Spielplatzes ab. Doch von Mollie war keine Spur zu sehen.
Was sollte sie jetzt tun? Sie hatte absolut keine Ahnung.
Automatisch griff sie nach ihrem Handy, um Alex anzurufen. Doch dann hielt sie inne. Das war das Letzte, was er jetzt hören wollte – dass die Tochter, die er gerade erst gefunden hatte, verschwunden war. Und zwar ganz allein durch deine Schuld, flüsterte eine kleine Stimme in ihrem Inneren. Das wird er dir nie verzeihen.
Jennie war am Boden zerstört. Der Gedanke, dass Mollie erst einige Minuten weg war und nicht weit sein konnte, war nur ein winziger Trost. Ihr war klar, dass sie Alex informieren musste. Doch bevor sie ihn anrief und in Angst versetzte, musste sie sicher sein, dass es sich um einen wirklichen Notfall handelte.
Verzweifelt suchte sie erneut das ganze Gelände ab, schaute hinter jeden Baum und Busch. Nichts.
Mollie war einfach nicht da. Oder sie war im Versteckspielen besser, als Jennie es je gewesen war.
Noch fünf Minuten, dachte sie. Ich warte noch fünf Minuten, dann rufe ich Alex an. Sie würde noch weiter in der näheren Umgebung suchen. Vielleicht war Mollie einem süßen Hund nachgelaufen oder war von jemandem angesprochen worden …
Bei der Vorstellung lief es Jennie eiskalt den Rücken runter.
Inzwischen war es schon fast dunkel, und die Sicht wurde immer schlechter.
Es war kalt und ungemütlich. Sie hätten längst wieder zu Hause sein müssen. Wie sehr wünschte Jennie sich jetzt, mit dem Kind vor dem Fernseher zu sitzen und laute Cartoons anzuschauen.
Zu Hause …
Jennie hielt den Atem an.
Ob Mollie nach Hause gegangen war? Vielleicht hatte die Kleine sie ja auch gesucht und war nach Hause gelaufen. Vom Park aus waren es nur wenige Minuten zu Fuß.
Jennie fing an zu rennen.
Völlig außer Atem erreichte sie das Haus und schloss mit zitternden Fingern die Tür
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