Julia Extra 0353
Geringste mit Flitterwochen zu tun.
„Wo genau sind wir hier?“, fragte sie Natania.
„Castillo del Arco“, antwortete die Italienerin. Sie öffnete eine schwere Tür, und Gabriella sah in einen großen Raum mit hohen Decken. „Raouls anderes Haus.“
„Es ist sehr … groß“, murmelte Gabriella.
Während sie noch darüber nachdachte, wie sie unauffällig herausbekommen konnte, wo Raouls Zimmer war, ging sie hinein. Dies war auf jeden Fall nicht das Zimmer ihres Ehemanns. Mit den scharlachroten Samtvorhängen und geblümten Seidentapeten war es ganz eindeutig das Zimmer einer Frau. Ein beeindruckender Raum, dachte Gabriella. Im Kamin loderte ein Feuer, und das riesige Pfostenbett war einer Königin würdig.
Neben dem Kleiderschrank entdeckte sie eine Tür. Zu Raouls Zimmer? Enttäuscht sah sie in ein großes Badezimmer.
„Ich hasse dieses Haus“, sagte Natania leise von der Tür her. „Es ist ein schlechter Ort.“
Gabriella drehte sich um. „Schlecht? In welcher Beziehung?“
Aber in diesem Moment kam Marco mit dem Gepäck. Natania blieb ihr die Antwort schuldig, als Marco sie in die Arme zog und küsste.
Gabriella zog sich hastig ins Badezimmer zurück. Ihre Wangen glühten. Sie war gleichzeitig aufgewühlt und hatte ein schlechtes Gewissen. Aber wieso? Nur weil sie die beiden beobachtet hatte? Schließlich war das ihr Zimmer.
Wahrscheinlich lag es nur an der Müdigkeit. Sie atmete einige Male tief ein und aus, während sie kaltes Wasser über ihre Handgelenke laufen ließ. Das Wasser half gegen ihre geröteten Wangen, aber nicht gegen ihr Verlangen nach Raoul. Raoul sollte hier in diesem Schlafzimmer sein und seinen Mund auf ihren pressen!
Verdammt!
Als sie aus dem Badezimmer kam, war Marco schon wieder gegangen, und Natania packte die Koffer aus.
„Danke, aber das ist nicht nötig“, teilte Gabriella ihr mit. „Wenn ich morgen zu Raoul ziehe, müssten wir alles nur wieder einpacken.“ Auf keinen Fall würde sie noch eine weitere Nacht allein verbringen! „Außerdem möchte ich jetzt einfach nur noch ins Bett fallen.“
Natanias Augen leuchteten auf, als wäre das auch genau ihr Wunsch. „Sind Sie sicher?“
Gabriella nickte. In den Schläfen spürte sie einen beginnenden Kopfschmerz. „Absolut. Gehen Sie schon! So kann wenigstens eine von uns noch eine schöne Nacht haben.“ Natania hatte schon die Hand auf der Klinke, als Gabriella sie noch einmal zurückrief: „Natania, was hatten Sie vorhin damit gemeint, dass dieses Haus ein schlechter Ort ist?“
Die andere Frau sah sie mit so tiefem Mitgefühl an, dass Gabriella für einen Moment Angst bekam. „Es tut mir leid. Über diese Dinge hätte ich nicht sprechen dürfen … gute Nacht.“ Bevor Gabriella sie zurückhalten konnte, hatte sie die Tür hinter sich geschlossen.
Was für Dinge?
Gabriella war viel zu aufgewühlt, um ins Bett zu gehen. Unruhig lief sie durch den Raum, am liebsten hätte sie laut geschrien und mit den Fäusten gegen die Wände getrommelt. Dies war ihre Hochzeitsnacht! Und sie war hier allein, in einem düsteren Schloss an einer gottverlassenen, nebligen Küste.
Wo, zum Teufel, war ihr Ehemann?
Sie schüttelte die Sandalen von den Füßen und schleuderte sie quer durch das Zimmer an die Wand. Aber auch das half nicht.
Was, zur Hölle, dachte er sich dabei?
Niemand arbeitete in seiner Hochzeitsnacht! Niemand!
In der Ferne zog ein Gewitter auf. Das dumpfe Donnergrollen kam ihr wie ein Echo auf ihre Stimmung vor.
Verdammt! Natania wusste bestimmt, wo er war. Sie hätte sie einfach fragen sollen! Barfuß lief sie zur Tür und sah hinaus auf den Flur. Es war so dunkel, dass sie nichts und niemanden sehen konnte. Wieder grollte ein Donner, so nah, dass die dicken Mauern zu beben schienen. Dann folgte ein Blitz und tauchte alles für einen Augenblick in blaues, kaltes Licht.
Und da, ganz am Ende des langen Korridors, sah sie, wie eine Gestalt in einem der Zimmer verschwand. Natania?
Gabriella rief nach ihr, aber ihre Stimme ging im nächsten Donner unter. Plötzlich setzte Regen ein und prasselte so laut gegen die Scheiben, als würde ein Ungeheuer Einlass fordern. Die tiefe Dunkelheit hatte sich wieder über das Schloss gelegt.
Sie wollte Natania folgen, aber inzwischen lag diese wahrscheinlich schon in Marcos Armen. War es wirklich nötig, die beiden im Bett zu stören? Vor allem da sie sehr wahrscheinlich gerade etwas taten, das sie selbst jetzt gerne tun würde – und zwar mit ihrem Ehemann!
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