Julia Extra 0353
Lächeln.
„Ich habe dich kaum erkannt“, log sie und riss ihren Blick von seinem markanten, tief gebräunten Gesicht los. „Du hast dich verändert, Luca.“
Zumindest war diese letzte Bemerkung keine Lüge. Er war noch immer der schönste Mann, den sie sich vorstellen konnte, aber darüber hinaus hatte er sich eine Ausstrahlung angeeignet, die ihn arrogant und distanziert wirken ließ. Das Kinn trug er etwas höher als früher, die Lider waren leicht gesenkt, und seinen Mund umspielte ein ironischer Zug.
„Du hast dich gar nicht verändert“, gab er tonlos zurück. Es war unmöglich herauszuhören, ob das ein Kompliment oder Kritik sein sollte. „Dich habe ich hier nicht erwartet.“
Allerdings wirkte er nicht besonders erfreut, sie zu sehen. Genau wie vor zwei Jahren, als sie ihm zufällig über den Weg gelaufen war – oder eher mit ihm aneinandergeraten war!
Luca hatte Poppy ignoriert und einfach auf dem Bürgersteig stehen lassen, während das höfliche Begrüßungslächeln auf ihrem Gesicht langsam verblasst war. Sein Verhalten war nicht unbemerkt geblieben.
„Jemand, den du kennst?“, hatte sich ein Mann aus der Gruppe erkundigt, mit der sie unterwegs gewesen war.
Verletzt hatte sie die Schultern gehoben und sich um einen möglichst unbeteiligten Gesichtsausdruck bemüht. „Nicht dass ich wüsste.“
Jetzt schüttelte Luca sich das Regenwasser aus den Haaren und kam ein paar Schritte näher. Automatisch rückte Poppy von ihm ab.
„Ich bin nicht ansteckend, soweit ich weiß“, brummte er.
Ihr fiel keine Antwort auf seinen milden Sarkasmus ein und auch keine Begründung, warum sie seine Nähe auf keinen Fall ertragen konnte.
Um etwas Zeit zu gewinnen, riss sie sich die Mütze vom Kopf und warf sie auf einen Zeitungsstapel neben dem breiten Lesesessel ihrer Großmutter. „Das ist ein Albtraum.“ Es hatte wenig Sinn, sich in dieser Situation zu verstellen. Einem fremden Eindringling hätte sie zumindest den Schürhaken über den Schädel ziehen können, aber was sollte sie jetzt mit Luca anstellen?
Er legte den Kopf schief. „Der Sturm ist ziemlich schlimm.“
Irritiert schüttelte sie den Kopf, in der Hoffnung, dadurch etwas Klarheit in ihre Gedanken zu bringen. „Wusste Gran, dass du vorbeikommen wolltest?“
„Nein.“
Gedankenverloren betrachtete Luca die goldbraunen Locken, die weich um Poppys Schultern fielen und bei jeder ihrer Bewegungen wippten. Sie waren länger als früher und schmeichelten ihrem herzförmigen Gesicht, das von riesigen grünen Augen dominiert wurde.
„Demnach weißt du nicht, wo sie ist?“, fragte Poppy weiter.
Energisch versuchte er, sich auf ihre Frage und nicht auf ihren entzückenden Mund zu konzentrieren. „Du etwa auch nicht?“
Sie biss sich auf die Lippe und schüttelte den Kopf. „Ich habe schon überall nach ihr gesucht, vergeblich.“ Ihre Kehle fühlte sich ganz trocken an, nachdem sie draußen unzählige Mal nach Gran gerufen hatte.
„Hat sie auch keine Nachricht hinterlassen?“
„Ich habe jedenfalls keine gefunden.“
Unwillkürlich fragte Luca sich, ob sie vielleicht mit einem Freund oder sogar Verlobten hier war. Wäre sie inzwischen verheiratet gewesen, hätte er das mit Sicherheit erfahren. „Hast du die Kerzen wegen der Atmosphäre angezündet, oder ist der Strom ausgefallen?“ Bei jedem seiner Besuche hatte er seine Patentante daran erinnert, dass sie dringend die schadhaften Leitungen überprüfen und erneuern lassen müsse. Doch die sparsame alte Dame hatte sich stets mit ihrem Lieblingsmotto gewehrt: Sie sei eben nicht der Typ für unnötige Veränderungen.
Poppy warf einen Blick auf ihre Uhr. „Ja, seit fast zwei Stunden ist der Strom weg.“ Kurz nach ihrer Ankunft war er ausgefallen.
„Hast du nach den Sicherungen geschaut?“
Langsam fühlte sie sich durch seine dämliche Fragerei ernsthaft beleidigt. „Natürlich, aber wir haben trotzdem keinen Strom.“
„Aber da gibt es doch noch den Notfall-Generator.“
„Schon, aber der geht auch nicht.“
Misstrauisch zog er eine Augenbraue hoch. „Und woher weißt du das?“
„Weil ich natürlich versucht habe, ihn einzuschalten“, entgegnete sie scharf. Dieser Generator war zwar ein launisches Ding, aber üblicherweise ließ er sich nach zwei bis drei kräftigen Fußtritten in Gang bringen. Heute allerdings nicht.
„Hast du ihm ein paar Tritte verpasst?“
Es fühlte sich vertraut an, dass sie beide über die Eigenheiten dieses alten Gemäuers Bescheid
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