Julia Extra 0353
hätte geschehen können!
Obwohl das nicht ganz stimmte. In einem Punkt zerbrach er sich tatsächlich den Kopf wegen der Möglichkeiten, die er unter anderen Umständen eventuell gehabt hätte. Was wäre, wenn er sich für sein persönliches Glück und nicht für die Pflichterfüllung entschieden hätte? Wenn er dem Druck seiner Eltern nicht nachgegeben hätte? Sieben Jahre waren inzwischen vergangen, und trotzdem ließen ihn diese unbeantworteten Fragen nie los.
Für alles im Leben musste man einen Preis zahlen, daran zweifelte er nicht. Doch er konnte sich nicht verzeihen, dass andere Personen als er den Preis für seine Entscheidungen zahlen mussten. Und wofür das Ganze?
Er hatte den Namen seiner Familie skandalfrei gehalten, er hatte ein Gespür für rentable Geldgeschäfte entwickelt und obendrein herausgefunden, dass er nicht zum Ehemann taugte. Eine solche Paarbeziehung, geschlossen auf immer und ewig, war einfach nichts für ihn. Nie wieder würde er sich für das Lebensglück eines anderen Menschen verantwortlich machen lassen!
Auch wenn Poppy es damals nicht gewusst hatte: Sie sollte sich glücklich schätzen, ihm, Luca, entkommen zu sein!
Und jetzt stand sie plötzlich vor ihm. Genau an dem Ort, wo sie sich kennengelernt hatten, und er war frei. War Poppy Single, oder steckte sie in einer Beziehung? Vielleicht mit dem Kerl, mit dem er sie vor diesem Kino gesehen hatte? Neugierig betrachtete er ihre Hände, um festzustellen, ob sie einen Ring trug. Oder befand sie sich gerade in einer neuen, aufregenden Liebe?
„Ich bin ein ausgezeichneter Schwimmer.“
Seine Worte ließen ein anderes Bild vor ihrem geistigen Auge auftauchen: Luca, wie er mit starken Armen seinen braun gebrannten Körper kraftvoll durchs Wasser bewegte, sich aufrichtete und die Wassertropfen über seine Haut perlten, wie er lachend winkte, damit sie sich zu ihm gesellte.
Solche Gedanken hatten hier und jetzt keinen Platz. Luca wäre um ein Haar gestorben, und er tat so, als würde das nichts bedeuten. War er wirklich so cool und unbeteiligt oder einfach nur dumm und leichtsinnig?
„Mir tun die Leute echt leid, denen du wichtig bist“, giftete Poppy. „Ich nehme doch stark an, du warst allein auf diesem Boot?“
„Ich war allein, und wie du siehst, bin ich am Leben.“
Sie rümpfte die Nase. „Gerade eben so.“ Dabei hatte er sogar eine ausgesprochen vitale Ausstrahlung, wie sie im Stillen fand.
„Können wir dieses Thema jetzt lassen?“ Es gab ihm zu denken, dass Poppy ihm zutraute, jemand anderen diesem unkalkulierbaren Risiko auszusetzen. „Auch wenn es schön zu wissen ist, dass sich jemand Sorgen um einen macht.“
„Überschätz dich nicht, Luca“, erwiderte sie und zwinkerte ihm zu. „Du bist in Sicherheit, ich werde dir nicht zu nahe treten.“
Seine Lider schlossen sich leicht. Auch wenn er wusste, dass sich zwischen ihnen nichts abspielen würde, fand ein Teil von ihm diesen Gedanken gar nicht so abwegig. „Und das soll ich gut finden?“
Verwundert sah sie ihn an und merkte, dass er ihren Blick erwiderte. Von Luca ging eine Spannung aus, die sie in der Magengegend traf. Und nach ein paar atemlosen Sekunden zwang Poppys Schamgefühl sie dazu, sich abzuwenden.
Was mache ich denn? fragte sie sich. Er ist ein verheirateter Mann, und außerdem hat er mir das Herz gebrochen!
Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Deine Frau wird sich sehr darüber freuen, dass du überlebt hast.“
Das hatte gesessen, wie sie an seinem verschlossen Gesichtsausdruck erkennen konnte. Allerdings wirkte er seltsam unbeteiligt und nicht gerade so, als hätte er ein schlechtes Gewissen.
Steckte seine Ehe etwa in einer Krise? Und wenn, es ging sie nichts an.
Zugegeben, früher einmal hätte sie sich diebisch darüber gefreut. Zum Glück war Poppy aber nicht mehr verbittert und rachsüchtig. Sie hatte lernen müssen, dass man im Leben die Dinge innerlich loslassen sollte, die schiefgegangen waren.
Wenn es sich dabei um eine große Liebe gehandelt hat, fiel das naturgemäß besonders schwer, aber es war nicht unmöglich. Poppy hatte ihren Kummer überwunden. Allerdings fand sie es ziemlich besorgniserregend, dass sie sich ständig selbst daran erinnern musste.
„Und du?“ Luca hatte ihr den Rücken zugewandt und hängte seine Jacke über eine Stuhllehne neben dem Feuer. Danach zog er noch seinen völlig durchweichten Kaschmirpullover über den Kopf. „Ich nehme an, du hattest eine weniger spektakuläre
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