Julia Extra 0353
wussten. Aber Poppy durfte sich nicht erlauben, in ihren Gefühlen für Luca zu schwelgen oder emotionale Nähe zuzulassen. Diese Gefühle hatte sie vor langer Zeit mühsam im hintersten Winkel ihrer Seele verstaut, um weiterleben zu können.
„Es ist das letzte Mittel der Wahl bei diesem Ding, aber auch das hat nichts mehr genützt.“
Luca war enttäuscht, weil es ihm nicht gelang, hinter ihre eisige Fassade zu blicken. Vor ihm stand eine Poppy, die zwar fast genauso aussah wie früher, sich innerlich jedoch sehr verändert hatte.
Was hatte er auch erwartet? Es war wohl nachvollziehbar, wenn ein gebrochenes Herz dazu führte, vorsichtiger zu werden und eine schützende Mauer um seine Seele zu errichten.
„Und wann hast du Isabel zum letzten Mal gesehen?“, erkundigte er sich.
Sie nahm diese Frage wörtlich. „Im April.“
„Nein, ich meinte …“
Nun reichte es Poppy endgültig, dass Luca sie wie einen unselbstständigen Teenager behandelte. „Sicher weiß ich, was du gemeint hast“, sagte sie ungeduldig. „Und nein, ich habe Gran nicht gesehen, sondern nur gestern Abend einmal mit ihr telefoniert.“
„Gab es vielleicht ein Missverständnis? Vielleicht wartet sie ja im Dorf auf dich.“
„Kann nicht sein. Ich wollte die erste Fähre nehmen und sie dann anrufen, sobald ich angekommen bin.“
„Und sie ist nicht ans Telefon gegangen?“
„Die Festnetzleitung war gestört, und ich habe mit dem Handy hier keinen Empfang. Wo kann sie nur sein, Luca? Man kommt hier nur mit einem Boot weg. Nach dem Erdrutsch vergangenen Winter ist der offizielle Weg noch nicht einmal mit einem Geländejeep befahrbar. Aber zu Fuß wird sie ja wohl kaum unterwegs sein.“
„Bestimmt nicht. Für eine Achtzigjährige ist Gran zwar ausgesprochen fit, aber sie kann nicht auf Berge klettern, schon gar nicht bei diesem Wetter.“
„Ich habe eine extrem ungutes Gefühl, Luca.“ Es war komisch, seinen Namen laut auszusprechen – nach all dieser Zeit. „Obwohl mein Gefühl mich auch täuschen kann. Wäre schließlich nicht das erste Mal“, setzte sie leise hinzu.
Damals war sie sich ihrer Sache mit Luca so sicher gewesen. Sie hatte ihm vertraut und geglaubt, er wäre der richtige Mann für sie. Wie dumm von ihr!
Doch jetzt musste sich Poppy auf das Verschwinden ihrer Großmutter konzentrieren. Sie hatte keine Zeit, sich über die Vergangenheit Gedanken zu machen. Sie wollte ihre Zunge im Zaum halten und eine gewisse Distanz zu Luca wahren, mehr konnte sie im Augenblick nicht tun.
„Möglicherweise gibt es ja eine schlüssige Erklärung für das Ganze.“
„Dass sie irgendwo verletzt und hilflos in der Gegend liegt?“, fragte Poppy schrill. „Meinst du so eine schlüssige Erklärung?“ Schnell versuchte sie, sich dieses schreckliche Bild wieder aus dem Kopf zu schlagen und sich zu beruhigen. „Vielleicht geht meine Fantasie mit mir durch, und du hast recht. Das kann man nur hoffen.“
Luca machte keine Anstalten, sie zu trösten. „Wahrscheinlich bist du wegen der Sache mit dem Gemeinderat hier?“
Vor Überraschung leuchteten ihre smaragdgrünen Augen auf. „Du weißt darüber Bescheid? Hat Gran dich etwa um Hilfe gebeten?“
Natürlich hat sie das, beantwortete sich Poppy ihre Frage selbst. Und warum auch nicht?
Es war verrückt, sich deshalb hintergangen zu fühlen, denn schließlich war er Grans Patenkind. Poppy hatte kein Problem damit, dass die beiden seit Jahren in Kontakt miteinander standen. Sie wollte zwar keine Einzelheiten wissen, aber sie hatte kein Problem damit!
Gran hatte immer verstanden, dass Poppy nichts von Lucas Privatleben wissen wollte.
„Meine Großmutter hat mich angerufen. Sie macht sich große Sorgen um ihre Freundin und hat mir in groben Zügen geschildert, was los ist.“
Lächelnd dachte Poppy an die alte Dame, die auch nach gut fünfzig Jahren, die diese nun schon in Italien lebte, noch einen schweren schottischen Hochlandakzent hatte.
„Tante Fiona?“ Natürlich war Fiona gar nicht Poppys richtige Tante, sie war lediglich Grans älteste Freundin aus der Schulzeit und hatte den Kontakt trotz großer räumlicher Entfernung über all die Jahre gehalten. „Wie geht’s ihr?“
„Gut.“
Seine knappe Antwort und die Tatsache, dass sein Blick dabei ganz langsam über ihr Gesicht und dann über ihren Körper wanderte, machten Poppy unsicher. „Sie war … war immer ausgesprochen nett zu mir“, stotterte sie.
Diese Freundlichkeit hatte in starkem Kontrast zu der
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