Julia Extra 0353
Haltung seiner Eltern gestanden, die Poppy bei einer förmlichen Geburtstagsfeier in Fionas Haus wie eine Aussätzige behandelt hatten. Luca hatte sie später weinend hinter der Garderobe gefunden.
„Zugegeben“, hatte Poppy geschluchzt, als er seine Arme tröstend um sie gelegt hatte. „Meine Mutter heiratet ziemlich oft und lässt sich spärlich bekleidet ablichten, aber sie hat niemanden umgebracht. Deine Familie benimmt sich mir gegenüber grausam und unmöglich!“
„Habe ich dir jemals davon erzählt, als meine Mutter auf einer Gala aus dem Waschraum kam und ihr Kleid hinten in der Strumpfhose feststeckte? Oder als mein Vater bei einem formellen Essen den Gastgeber für einen Kellner hielt und sich bei ihm über den angeblich korkigen Wein beschwert hat?“
Unaufhörlich hatte Luca weitere kleine Skandale und Verfehlungen seiner Eltern aufgezählt, das meiste davon vermutlich frei erfunden, bis Poppy schließlich in Gelächter ausgebrochen war.
„Poppy?“ Seine samtige Stimme riss sie aus den Gedanken.
Sie hob den Kopf und blinzelte. Die schönen Zeiten mit Luca waren für immer vorbei, und wenn sie wieder einmal eine Schulter zum Anlehnen brauchte, musste sie sich jemand anderen suchen. Das durfte sie nicht vergessen!
„Es sieht nicht besonders gut aus, oder?“, überlegte sie laut, und die Angst um Gran war ihr deutlich anzusehen.
Ihm war immer unter die Haut gegangen, wie schlecht Poppy sich verstellen und ihre wahren Gefühle verbergen konnte. Es war anrührend und weckte seinen Beschützerinstinkt.
„Wir wollen keine voreiligen Schlüsse ziehen“, mahnte er. „Du hattest schon immer einen Hang zum Dramatisieren.“ Außerdem war sie offenherzig, sentimental und – nicht zu vergessen – extrem stur. Aber vor allen Dingen war Poppy in ihrer Persönlichkeit authentischer als alle anderen Menschen, die ihm jemals begegnet waren.
„Keine Sorge, wir haben uns alle weiterentwickelt, Luca“, erklärte sie spitz. „Ich kann dir versichern, ich werde bestimmt nicht hysterisch. Also, was unternehmen wir jetzt?“
„Zuerst muss ich mal aus den nassen Sachen raus.“
„Ja, warum bist du eigentlich …?“ Sprachlos musterte sie seinen Aufzug. Erst jetzt bemerkte sie, wie eng die Kleidung an seinem kräftigen Körper klebte. Sie zwang sich, ihm wieder ins Gesicht zu schauen. „Wie bist du eigentlich bei diesem Sturm hierhergekommen?“ Ihr Blick wanderte zum Fenster, gegen das inzwischen Hagelkörner prasselten.
Der Fährverkehr war längst eingestellt worden, weil niemand auf dem Wasser hatte sein wollen, wenn der Sturm seinen Höhepunkt erreichte.
„Ich habe mir ein Boot gekauft.“
Es klang, als würde er von einer Tafel Schokolade sprechen. „Na klar hast du das!“ Wenigstens hatte seine Extravaganz zur Folge, dass sie hier nicht gänzlich gestrandet waren. „Kaum zu glauben, dass du es allein bis hierher geschafft hast.“ Sie war ernsthaft beeindruckt und folgte Luca mit ihrem Blick, als dieser dichter ans Kaminfeuer trat.
„Ich habe es geschafft, das Boot leider nicht. Es ist gesunken.“
3. KAPITEL
„Gesunken?“ In Poppys Kopf entstanden sofort beängstigende Bilder, die ihr heftig auf den Magen schlugen.
Sie überlegte, wie schnell sie es wohl zum Badezimmer schaffen würde, bevor sie sich übergeben musste. Wie gelähmt blieb sie stehen und atmete tief ein, während Luca ein paar Scheite Holz ins Feuer warf.
„Beinahe wäre mir die Überfahrt gelungen“, fuhr er fort. „Aber die Strömung hat mich auf die Felsen gezogen.“ Als wäre das Erklärung genug, zuckte er mit den Achseln und schwieg.
Fassungslos starrte Poppy ihn an. Konnte jemand wirklich so gelassen über eine Nahtoderfahrung reden?
„Das Boot ist auf den Felsen zerschellt?“, fragte sie gepresst, und er nickte. „Du hättest ertrinken können!“
Luca benahm sich, als wäre ihm dieser Gedanke nie gekommen, und Poppy war zunehmend frustriert. Ihr konnte es ja egal sein, wenn er sein Leben leichtfertig aufs Spiel setzte, aber immerhin hatte er eine Frau und eine große Verantwortung seiner Familie gegenüber.
Früher fand ich seinen Wagemut hinreißend, dachte sie.
Zumindest hatte sie sich in diesem Punkt geändert. Es war nichts Hinreißendes daran, wenn ein Mensch in stürmischen grauen Wellen unterging und in der eisigen Tiefe des Meeres sein Leben verlor.
Luca warf einen leicht genervten Blick über die Schulter. „Bin ich aber nicht.“ Es war eben nicht seine Art, sich auszumalen, was
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