Julia Extra 0357
Ihre Mutter hatte von Anfang an eine Schwäche für Gabriel gehabt. Dann hatte er vor vier Jahren die ganze Familie in sein Ferienhaus in Florida eingeladen, und seitdem war er eine Lichtgestalt für sie. Nie würde Ruth den Flug in seinem Privatjet und den anschließenden Aufenthalt in seiner luxuriösen Strandvilla vergessen. Für sie und Lauras Vater waren es wie die zweiten Flitterwochen gewesen, ganz anders als die ersten, die sie in einem billigen Motel bei den Niagarafällen verbracht hatten.
„Ich bin so froh, dass Laura daran gedacht hat, Sie zu Beckys Hochzeit einzuladen“, sagte Ruth, die es immer noch nicht fassen konnte, den Exboss ihrer Tochter leibhaftig vor sich zu sehen.
Gabriel warf Laura einen undurchschaubaren Blick zu, bevor er sich zu ihrer Mutter herunterbeugte und ihr konspirativ ins Ohr flüsterte: „Das hat sie nicht getan, Mrs Parker. Ich bin unverzeihlicherweise uneingeladen hier hereingeplatzt, weil ich ihr einen Job anbieten wollte.“
„Einen Job?“ Ruth kamen vor Freude fast die Tränen. „Sie wissen ja gar nicht, wie glücklich sich das fügt. Bei uns ist es zurzeit so knapp, dass Laura sich schon auf die unmöglichsten Stellen beworben hat. Sie ist sogar bis nach Exeter …“
„Mum!“, unterbrach Laura sie verzweifelt. „Bitte bring Robby jetzt ins Haus …“
Aber Gabriel ignorierte sie und lächelte Ruth liebenswürdig zu. „Sie ist also auf Arbeitssuche?“, hakte er mit samtweicher Stimme nach.
„Und wie! Sie hat ja überhaupt kein Geld mehr“, platzte Ruth heraus und wurde gleich darauf rot wie ein Schulmädchen. „Nun ja“, fügte sie verlegen hinzu, „so geht es ja der ganzen Familie, seit …“ Sie senkte den Kopf und wischte sich rasch mit der Hand über die Augen.
Gabriel schob die Hände in die Hosentaschen. „Mein Beileid zum Tod Ihres Mannes“, sagte er leise. „Ich habe ihn sehr gemocht.“
„Danke.“
Ein kurzes Schweigen trat ein, dann wandte Gabriel plötzlich seine Aufmerksamkeit Robby zu.
„Was für ein niedlicher Kerl“, bemerkte er. „Sind Sie mit ihm verwandt?“
Ruth sah ihn entgeistert an, während Laura ein letztes, flehendes „Mum!“ rief.
Dann geschah das Unvermeidliche.
„Aber das ist doch mein Enkel Robby“, verkündete sie und hob den Kleinen stolz in die Luft. „Lauras Baby.“
3. KAPITEL
Als Ruth ihr Robby reichte, schien Laura das Herz zu gefrieren.
„Nimm den Job an“, raunte ihre Mutter ihr zu, bevor sie sich mit einem Lächeln Gabriel zuwandte. „Ich hoffe sehr, dass wir uns bald wiedersehen, Mr Santos.“
Laura hörte das dumpfe Zuschlagen der Tür, dann war sie allein mit Gabriel und ihrem gemeinsamen Kind.
„Das ist also dein Sohn?“ Seine Stimme klang eigenartig belegt.
„Ja.“ Sie drückte Robby an sich und genoss die tröstliche Wärme seines drallen kleinen Körpers.
„Wie alt ist er?“
„Sechs Monate“, brachte sie kaum hörbar hervor.
Gabriel kniff die Augen zusammen. „Und wer ist der Vater?“
Du! Hätte sie am liebsten laut herausgeschrien.
Du bist der Vater!
Robby ist unser Sohn!
Doch die Worte blieben ihr in der Kehle stecken. Zwar wollte Gabriel sich nicht durch ein Kind in seiner Freiheit einschränken lassen, aber wenn er die Wahrheit erfuhr, könnte er es als seine Pflicht ansehen, das väterliche Sorgerecht zu beantragen. Vielleicht würde er sogar versuchen, sie von ihrem Kind zu trennen und es nach Brasilien mitzunehmen, um es dort der Obhut eines Kindermädchens zu überlassen. In jedem Fall würde er sie – und auch Robby – dafür hassen, ihn in eine derartige Zwangslage gebracht zu haben.
Nein, sie hatte nichts zu gewinnen, wenn sie es ihm sagte. Aber alles zu verlieren!
„Die Identität des Vaters geht dich nichts an“, sagte sie daher brüsk.
Gabriels Augen wurden noch etwas schmaler. „Du musst unmittelbar, nachdem du Rio verlassen hast, schwanger geworden sein.“
„Ja“, bestätigte Laura unwillig und blickte rasch vom Vater zum Sohn. Fiel ihm die Ähnlichkeit denn gar nicht auf?
Gabriel lieferte ihr umgehend die Antwort auf diese Frage. „Du hast immer gesagt, du wolltest eine eigene Familie mit Haus und Garten und allem drum und dran“, klagte er sie an. „Wie konntest du nur so nachlässig sein, jeden Schutz zu vergessen, und dich vom erstbesten Kerl, der dir über den Weg lief, schwängern lassen?“
Gabriel hatte natürlich Kondome benutzt, aber irgendwie war Laura trotzdem schwanger geworden.
„Manchmal passieren eben
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