Julia Extra 360
wenigstens konnte sie mit ihrem Job dafür sorgen, dass es ihrem Dad während seiner letzten Jahre auf Erden gut ging.
„Bitte schön, machen Sie nur“, ermunterte Maria sie und zeigte auf Maxies Kamera.
Das Anwesen der Acostas war so viel mehr als nur die Summe seiner Einzelteile. Das erkannte Maxie, während sie alles um sich herum praktisch nur durch eine Linse betrachtete und damit in Einheiten aufteilte, die wiederum aus verschiedenen Perspektiven und zu verschiedenen Tageszeiten völlig unterschiedlich wirkten. Die meisten Teppiche waren im Laufe der Jahre dünner geworden, was sie aber noch schöner machte. Viele Dinge vermittelten den Eindruck von ständigem Gebrauch und Leben, wie sie zunehmend feststellte, und verliehen dem Gemäuer ein heimeliges Ambiente. Es strahlte die Wärme und Geborgenheit vieler glücklicher Generationen aus.
„Ich liebe dieses Haus“, sagte Maxie impulsiv. Sie betrachtete den eleganten Flügel unter der Treppe, auf dem ein paar Notenbücher verstreut lagen, als wäre der Pianist nur für einen Moment verschwunden. Überall befanden sich Porträts und Fotos von Familienmitgliedern, und in der Luft hing der Duft von Bienenwachs. „Es könnte keinen besseren Ort zum Heiraten geben.“
„Perfecto“ , stimmte Maria mit einem gütigen Lächeln auf dem rundlichen Gesicht zu.
Der erste gemeinsame Abend mit Diego stand Maxie bevor, und sie kämmte sich vor Nervosität zum hundertsten Mal das lange Haar. Nachdem das Meerwasser herausgewaschen war, erstrahlten sie wieder in einem tiefen Braunton. Normalerweise band sie ihre Mähne streng zurück, insbesondere bei geschäftlichen Terminen, aber heute wollte sie ihr Haar offen tragen. Es sollte Diego vermitteln, dass sie sich wohlfühlte und sich nicht durch ihn einschüchtern ließ.
Worüber sollen wir uns bloß unterhalten? fragte Maxie ihr Spiegelbild. Von Polo verstand sie so gut wie nichts, und Diego hatte mit Hochzeiten nichts am Hut. Sie hatten praktisch nichts gemeinsam, und obendrein hatte Diego ihr zu verstehen gegeben, wie wenig Wert er auf Gesellschaft legte. Das dürfte eine mühsame Angelegenheit werden!
Achtlos warf sie ihre Bürste auf die antike Frisierkommode. Es hatte heute keine guten Nachrichten vom Pflegeheim gegeben. Maxie hoffte stets, man würde ihr von einer Verbesserung berichten, aber insgeheim wusste sie, wie unwahrscheinlich das war.
Ich muss mich auf meine Arbeit konzentrieren, nahm sie sich vor. Das lenkt ab und zahlt die Rechnungen!
„Diego!“, rief sie erschrocken, als sie eine halbe Stunde später ihr Zimmer verließ. Er lehnte im halbdunklen Flur an der Wand. „Wartest du auf mich?“
„Ich wollte gerade nach unten gehen“, behauptete er etwas zu schnell, um noch überzeugend zu klingen. „Und da haben wir ja wohl den gleichen Weg?“
Sie fühlte sich in ihrem schlichten, aber femininen Baumwollkleid unpassend angezogen, während Diego es mühelos schaffte, in einfachen Jeans und einem ausgewaschenen Sweatshirt unglaublich hinreißend auszusehen. Er roch nach Seife und Rasierwasser, und seine dichten, schwarzen Haare waren noch nass vom Duschen.
Erst jetzt fiel ihr der Stock auf, der hinter ihm an der Wand lehnte. Wahrscheinlich hatte er sich im Flur einfach einen Augenblick lang ausruhen wollen, weil ihn sein steifes Bein gequält hatte.
Als sie gemeinsam auf die Treppe zugingen, versuchte Maxie unauffällig festzustellen, wie sehr ihn die Verletzung einschränkte. Geschickt ließ sie sich etwas zurückfallen, um seine Bewegungen beobachten zu können.
Diego war es ganz recht, dass dieses freche Frauenzimmer jetzt hinter ihm lief. So sah sie wenigstens nicht die Überraschung auf seinem Gesicht. Der kleine Wildfang hatte sich buchstäblich vor seinen Augen in eine hübsche, ernst zu nehmende Frau verwandelt. Aber warum überraschte ihn das eigentlich so sehr? Schließlich war sie Geschäftsfrau und wusste sich sicherlich entsprechend zu verkaufen.
Doch bevor in ihm überhaupt der Gedanke Form annehmen konnte, Maxie eventuell zu verführen, holte ihn ein schmerzhaftes Pochen in seinem Bein auf den Boden der Tatsachen zurück.
„Ich liebe dein Haus“, verkündete sie und kam an seine Seite.
„Es ist nicht allein mein Haus“, korrigierte er sie, „es gehört der ganzen Familie.“
„Meinst du nicht, genau deshalb ist es so schön und gemütlich?“ Nachdenklich blieb sie vor einem Ölgemälde stehen, das einen von Diegos Vorfahren zeigte. „Ein richtiges
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