Julia Extra 360
klammheimlich davonschleichen?“
„Ich brauche Zeit, um dir alles zu erklären, Diego, aber die habe ich jetzt nicht.“ Hektisch sah sie sich um und starrte dann auf ihre Armbanduhr.
„Warum musst du so schnell weg? Und sei bitte ehrlich zu mir, Maxie! Mit wem willst du dich treffen?“
Die Sekunden verstrichen, und er dachte an seinen Freund Oresto Fernandez, der auf den skrupellosen Nichtsnutz Peter Parrish hereingefallen war. Damals hatten die Freunde in London gelebt und waren voll und ganz mit der Abnabelung von ihren Familien beschäftigt gewesen.
Zum Glück hatte Diego nur wenig Geld in dieses Betrugsgeschäft investiert, weil er erst einmal hatte herausfinden wollen, ob das Geschäft wirklich so lukrativ war, wie es sich angehört hatte. Ihm war nicht klar gewesen, dass Oresto das gesamte Geld seiner Familie riskiert und verloren hatte. Kurz darauf hatte sich sein Freund aus Scham und Verzweiflung aufgehängt.
„Wieso siehst du mich so an, Diego?“ Als ob er mich hasst, dachte sie erschrocken.
Um sie herum hatten sich die Gäste wieder gesetzt und warteten auf den Spielbeginn der zweiten Halbzeit. Bei den Ställen tauchten mehrere Stallhelfer auf, die nach Diego Ausschau hielten.
„Du hast eine Entscheidung zu treffen“, schloss er kalt und ging davon.
Diego war im Gesicht dunkelrot vor Wut. Maxie hatte ihren Vater tatsächlich ihm vorgezogen. Der Pilot seines Privatjets hatte gerade bestätigt, dass sie sicher an Bord sei. Und Diegos Brüder, die seine finstere Miene bemerkt hatten, flehten ihn nun regelrecht an, die zweite Halbzeit nicht mitzuspielen.
„Wir liegen weit hinten, und die Acostas verlieren nicht“, verkündete Diego. „Es kann doch nicht sein, dass wir hier direkt vor unserem eigenen Elternhaus unsere Ehre verlieren! Das wird nicht passieren! Nicht heute, niemals!“
„Du kannst dich trotzdem auswechseln lassen“, schlug sein Bruder Nacho vor und klopfte ihm auf die Schulter.
„Und meinen Platz in der Nationalmannschaft aufs Spiel setzen?“ Diego schüttelte heftig den Kopf. „Ihr könnt euch auf mich verlassen, Nacho.“
Zum ersten Mal ließ ihn sein älterer Bruder ohne ausführliche Diskussion gewähren.
Von da an spielte Diego wie ein Besessener. Einmal hätte er Nero Caracas fast aus dem Sattel gehoben. Früher hatte man in Argentinien gesagt: Wenn Diego Acosta Polo spielt, sitzt ihm der Teufel im Nacken. Heute war er selbst der Teufel …
11. KAPITEL
Ihr Herz ließ Maxie in Argentinien zurück, aber Pflichtgefühl und eine ganz andere Art von Liebe zogen sie nach England. Es war zu spät, um zu bereuen, Diego nichts über ihren Vater erzählt zu haben. Er hätte ja ohnehin nicht mit ihr kommen können.
Möglicherweise würde sie ihren Vater nicht lebend wiedersehen, ganz gleich, wie sehr sie sich jetzt beeilte. Und erst als sie sicher im Jet angeschnallt war, ließ sie ihren Tränen freien Lauf. Irgendwie musste es ihr gelingen, zu ihrem alten Ich zurückzufinden – der zuverlässigen, organisierten Karrierefrau.
Es wird noch andere Polospiele geben, aber mein Vater kann nicht warten, sagte sie sich immer wieder. Ich würde es mir nie verzeihen, wenn ich ihn in der Stunde seines Todes im Stich lassen müsste.
Und Diego?
Sie wollte ihn anrufen, sobald sie in London angekommen war. Dann konnte sie ihm alles erklären, und er würde es verstehen. Jedenfalls hoffte sie auf sein Verständnis!
Nachos Helikopter brachte Diego zum Flughafen, von dort aus ging es mit einer Linienmaschine direkt nach London. Maxie war ihm lediglich sechs Stunden voraus.
Sein Privatdetektiv wartete am Heathrow Airport mit einem Sportwagen auf Diego, und die beiden sprachen auf dem Weg zum Nuttingford Pflegeheim kaum ein Wort miteinander.
Die exklusive Ausstattung des Heims befremdete Diego. Peter Parrish ließ es sich auf seine alten Tage hier gut gehen, während Oresto in seinem kalten Grab lag.
Diego verabschiedete sich von dem privaten Ermittler und machte sich allein auf den Weg zum Empfangstresen. Zuerst wollte er Peter Parrish mit seinen Taten konfrontieren und den Mann anschließend vor der ganzen Welt bloßstellen, damit er niemanden mehr übers Ohr hauen konnte.
Und Maxie würde sich rechtfertigen müssen, weil sie den Aufenthaltsort ihres Vaters bewusst geheim gehalten hatte. Auch wenn diese Begegnung Oresto nicht wieder lebendig machen konnte, so beendete sie doch einen langen, schmerzvollen Weg für Diego.
Endlich fand er den Raum im zweiten Stock, den man ihm
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