Julia Extra 360
mich ist es zu spät, meinem Vater zu sagen, dass ich ihn liebe.“
„Es ist nie zu spät. Du bist hier, und das weiß er. Genau wie er spüren kann, dass die Fehler der Vergangenheit heute keine Rolle mehr spielen.“
„Meinst du?“
„Das weiß ich ganz bestimmt“, versicherte Diego mit fester Stimme. „Genauso weiß ich, dass ich ohne dich nicht mehr leben kann. Ich hätte es schon früher zugeben sollen, Maxie. Ich liebe dich.“
Einen Moment war es vollkommen ruhig im Zimmer. „Ich hätte dich nie für einen Romantiker gehalten, Diego“, erwiderte sie erstickt. „Und ich liebe dich auch.“
„Wenn ich dich frage, ob du mich heiraten willst, würdest du es riskieren?“
„Ach, halt mich fest!“, bat sie und kuschelte sich an seine Brust. „Halt mich einfach nur fest!“
Nach mehreren Minuten schob Diego sie sanft von sich. „Ich übernehme jetzt mal“, verkündete er energisch. „Du brauchst eine Pause. Besorg dir einen Kaffee oder ruhe dich einfach ein bisschen aus. Sobald es etwas Neues gibt, hole ich dich gleich her.“
„Ich kann kaum glauben, dass du das für mich tun willst.“
„Ich würde alles für dich tun“, antwortete er schlicht.
So erschöpft, wie sie war, konnte er ihr nichts von seinen schlimmen Erfahrungen mit Peter Parrish erzählen. Das stand fest. Im Augenblick wollte er Maxie nur beschützen und für sie sorgen. Der Rest musste warten.
Und während sie gemeinsam stundenlang am Sterbebett des alten Mannes wachten, lernte Diego eine der wichtigsten Lektionen seines ganzen Lebens: Im Rückblick zählte nur eine einzige Sache im Leben – die Liebe.
„Ich hätte mit dir schon vor langer Zeit über meinen Vater sprechen sollen“, sagte Maxie und verzog voller Bedauern das Gesicht.
„Nein, es ist in Ordnung, so wie es war.“
Sie lagen in Diegos Villa auf der Isla del Fuego im Bett. Seit der Beerdigung – bei der Diego eine kurze Rede über Vergebung und Neuanfang gehalten hatte – hatten sie nicht mehr über Maxies Vater gesprochen. Maxie hatte das Geheimnis um ihre Familie so lange in sich verschlossen, dass es ihr schwerfiel, es endlich preiszugeben.
Die Rückkehr zu der Insel, auf der sie einander kennengelernt hatten, half ihr dabei. Es war ein Gefühl der Heimkehr.
Und Diego würde niemals vergessen, was sie hier für ihn getan hatte. Außerdem ließ sich Hollys Hochzeit nur mit einem Wort beschreiben: perfekt. Das alte Gemäuer hatte lange nicht mehr so viel Freude und Liebe gesehen wie jetzt.
„Habe ich auch alles bedacht?“, überlegte Holly laut, denn heute sollte die eigentliche Trauung stattfinden. Der Höhepunkt aller Feierlichkeiten.
„Ganz sicher“, beruhigte Diego sie.
Mit dem Wetter hatten sie ebenfalls großes Glück gehabt, und alle Anwesenden amüsierten sich königlich. Es gab keinen Grund zur Sorge, trotzdem ließ Maxies Anspannung nicht nach – sie war eben durch und durch Profi.
„Ich würde dir gern alles über meine Familie beichten“, gestand sie unvermittelt. „Danach brauchen wir nicht mehr davon zu reden.“
„Falls es dir hilft, schieß los!“
„Also, mein Vater ist nicht immer den geraden Weg gegangen“, begann sie stockend.
Augenblicklich verkrampfte er sich, atmete jedoch ruhig weiter.
„Aber dafür gab es einen bestimmten Grund. Als meine Mutter krank wurde, fehlte uns das Geld für ihre Pflege. Damals habe ich mich in dieser Spezialmassage ausbilden lassen, so konnten wir uns teure Extrabehandlungen sparen.“
„Massieren kannst du wirklich gut.“
Ihr Lächeln war traurig. „Meiner Mutter haben die Massagen sehr geholfen.“
Diego nickte.
„Mein Vater fing an, sich mehr und mehr Geld zu leihen, um meine Mutter zu versorgen.“
Eine verheerende Spirale, an deren Ende der Schwindler Peter Parrish zwei argentinische Halbstarke über den Tisch gezogen hatte!
„Er war kein schlechter Kerl, Diego, nur verzweifelt. Aber der Plan meines Vaters ging gründlich schief. Jemand ist seinetwegen ums Leben gekommen. Ich war noch zu jung, um zu wissen, worum es genau ging. Eines Tages hörte ich aber, wie meine Mutter sich weinend ihrer Freundin anvertraute. Ein junger Mann habe wegen meines Vaters das gesamte Geld seiner Familie verloren und sich daraufhin erhängt. Es gab unheimlich viel Streit bei uns zu Hause, und mein Vater war nicht mehr er selbst. Seine Absicht war gewesen, Leben zu erhalten, und nicht, es zu zerstören. Er ist vor Schuld fast verrückt geworden, und danach kam noch die Demenz
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