Julia Extra 360
wieder von mir hören. Für mich bestand kein Grund, dir nicht zu glauben.“
„Du hast mir nicht einmal die Chance gelassen, das Richtige für dich und das Baby zu tun.“
Vorwurf stand in ihren blaugrauen Augen, als sie ihn blitzend ansah. „Um dann auch noch von dir unter Druck gesetzt zu werden, die Schwangerschaft abzubrechen, weil etwas mit dem Kind nicht stimmte? Das wollte ich nicht riskieren.“
Emilio holte tief Luft. Hatte sie eine so schlechte Meinung von ihm? „Glaubst du wirklich, das hätte ich von dir verlangt?“, brachte er schließlich hervor.
„Du strebst in allem nach Perfektion. Wie konnte ich wissen, wie du auf die Nachricht reagieren würdest, dass dein Baby nicht perfekt ist, vor allem, nachdem unsere Beziehung so bitter zu Ende gegangen war? Ich dachte, es ist besser, wenn du nichts davon erfährst. Ich dachte, du würdest es so oder so nicht wissen wollen.“
Emilio starrte sie fassungslos an. Kannte sie ihn wirklich so schlecht? Wusste sie denn nicht, dass er alles versucht hätte, um seinem Kind jede Chance auf ein gesundes Leben zu sichern? Dafür hätte er alles in seiner Macht Stehende getan. „Für was für einen Mann hältst du mich? Glaubst du wirklich, ich hätte mein eigen Fleisch und Blut im Stich gelassen?“ Wie meine Mutter es getan hat . Er blinzelte, um die Worte zu vertreiben. „Niemals, Gisele!“
Sie schlang die Arme um sich, drehte ihm den Rücken zu. „Ich hatte bereits genügend andere, die auf mich einredeten und mir sagten, was ich zu tun hätte. Ich hätte nicht die Kraft gehabt, auch noch mit deiner Meinung fertigzuwerden.“
Emilio schluckte die Trauer hinunter. „Du hättest es mir sagen sollen, Gisele. Verdammt, kannst du dir vorstellen, wie es für mich ist, so etwas durch die Presse herauszufinden?“
Mit bitterer Miene schwang sie zu ihm herum. „Geht es hier also nur um dich, Emilio? Interessiert es dich überhaupt, was ich durchgemacht habe? Wie ich mich fühle? Du hast kein Recht, dich zu beschweren. Wie ich es sehe, hast du dir das selbst zuzuschreiben.“
Ärger schoss in ihm auf. Ein Ärger, wie er ihn noch nie verspürt hatte, selbst vor zwei Jahren nicht. Wie konnte sie ihm so eiskalt die Existenz seiner Tochter vorenthalten?! „Das hast du bewusst getan, nicht wahr? Es war deine Möglichkeit, mich zu verletzen und zu bestrafen, weil ich dir nicht vertraut habe. Die perfekte Rache. Und es hat funktioniert. Du hättest dir nichts Wirkungsvolleres ausdenken können.“
Anklagend schaute sie ihn an. „Du denkst nur das Schlechteste von mir. Das passiert bei dir automatisch, nicht wahr? Zuerst die Schuldzuweisungen, dann die Fragen.“
„Hattest du vor, es mir zu sagen?“
Schuldbewusstsein flackerte kurz in ihrem Blick auf. „Ich wusste nicht wie. Es ist schwer, darüber zu reden … von ihr …“
„Du hättest es mir schon an dem Tag sagen sollen, als ich bei dir im Laden erschien. Ich bin den ganzen Weg bis nach Sydney gekommen, um mich zu entschuldigen. Ich habe alles versucht, um es wiedergutzumachen. Du hättest mir auf halbem Wege entgegenkommen können.“
Sie bedachte ihn mit einem vernichtenden Blick. „Wir wissen beide, was von dieser Entschuldigung zu halten ist! Ich wäre nicht hier, hätte es dein Angebot nicht gegeben.“
Er biss die Zähne zusammen, bis sein Kiefer schmerzte. Wie konnte er die Fehler der Vergangenheit je wieder richten? Gisele hatte ihr Kind verloren, sie hatte die Qualen allein ertragen müssen. Er hatte ihr nicht zur Seite gestanden, hatte sie nicht beschützt, hatte nicht für sie gesorgt. Er verstand jetzt, warum eine schlichte Entschuldigung und ein „Lass uns von vorn anfangen“ nicht reichten. Ganz gleich was er auch tat, es würde das Baby nicht zurückbringen. Eine tiefe Kluft, angefüllt mit Leid und Verbitterung, trennte ihn von Gisele. Gab es eine Brücke, um den Abgrund zu überqueren? Das Gefühl von absoluter Machtlosigkeit überkam ihn; er fühlte sich wie damals, als er noch der Straßenjunge gewesen war …
„Es tut mir leid“, sagte er mit einer Stimme, die nicht ihm zu gehören schien – sie klang leer, seelenlos. Tot.
„Ich habe Fotos dabei“, sagte Gisele schließlich leise in die drückende Stille hinein. „Und die Decke, in der sie die wenigen Stunden ihres Lebens verbracht hat. Vielleicht hätte ich sie darin beerdigen sollen, aber ich konnte mich nicht davon trennen.“
Ein eiserner Ring legte sich um Emilios Brust. „Du hast sie mitgebracht?“
Fast
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