Julia Extra 360
sammeln. Um Zander mit ihrem Selbstbewusstsein zu verwirren. Um etwas von ihrem Stolz zurückzugewinnen.
„Und du bist auf Xanos aufgewachsen. Was ist mit …“ Sie musste tief Luft holen, weil sie sich wie eine Spionin fühlte. „Was ist mit deinen Eltern passiert?“
„Was sollst du für ihn herausfinden?“
„Ich habe nur Konversation gemacht.“
„Du wirst rot, wenn du lügst“, spottete Zander.
Sie gingen vor Anker, und Charlotte fühlte sich nicht mehr so mutig, versuchte jedoch, es sich nicht anmerken zu lassen.
Zander zog sein Polohemd aus, und sie hätte gern ihre Bluse ausgezogen und den leichten Wind auf den Schultern gespürt. Nur dass es sicherer war, bedeckt zu bleiben, denn ihr Körper prickelte in Zanders Nähe. Scheinbar gleichgültig saß Charlotte auf der Sitzbank und bemühte sich, seinen Duft zu ignorieren, während Zander lächelnd die Flasche mit Sonnenmilch in die Hand nahm.
„Würdest du mir bitte den Rücken eincremen?“
Das fragte Zander, als wäre er harmlos, als könnte er mit seinem mediterranen Hauttyp so leicht verbrennen.
„Natürlich.“ Charlotte weigerte sich einfach, das Spiel seiner Muskeln zu beachten oder die schwachen Kratzspuren wahrzunehmen, die ihre Fingernägel neulich Nacht hinterlassen hatten. „Fertig!“
Sie schaffte es sogar, ihm einen schwesterlichen Klaps auf den Rücken zu geben, bevor sie die Flasche wieder zuschraubte. Ein klitzekleines Triumphgefühl wallte in ihr auf, weil sie Zander ohne Worte gesagt hatte, dass er nicht ganz so unwiderstehlich war, wie er gedacht hatte.
„Wie lange werden wir unterwegs sein?“
„Das kommt darauf an.“
„Worauf?“ Zum ersten Mal hörte man ihr den Ärger an, und Charlotte bremste sich schnell. Glaubte Zander im Ernst, dass ein Tagesausflug auf seiner Jacht sie blind gegen alles machen würde, was er getan hatte?
„Ich will reden.“
„Wir reden doch.“
„Ich will reden wie vorher.“
„Da habe ich dir vertraut“, erwiderte Charlotte.
Jetzt vertraute sie ihm nicht.
Er zog seine Shorts aus. „Es ist Zeit, schwimmen zu gehen.“
„Keine Lust.“ Was für eine Lüge. Ihr Körper glühte. Erst nachdem Zander hineingesprungen war, wagte es Charlotte, ihn durch ihre Sonnenbrille zu beobachten. Und obwohl er ihr das Herz gebrochen hatte, wollte sie bei ihm im kühlen Wasser sein.
Inzwischen fühlte sich die Leinenbluse wie eine Pferdedecke um ihre Schultern an, deshalb zog Charlotte sie schließlich doch aus.
Zander kam zurück aufs Boot und wurde zunehmend gereizt, denn sie plauderte über das Wasser und die Aussicht, ließ sich aber auf kein echtes Gespräch ein.
„Wir können weiter raus zu den Inseln fahren und sonnenbaden“, schlug er vor.
„Was immer du willst.“
„Was willst du?“
Offensichtlich nichts.
„Was muss ich tun, damit du Spaß an diesem Ausflug hast?“
„Soll ich etwa die Zeit mit dir zusammen genießen, nachdem du mich so verletzt hast? Wo ich doch weiß, wozu du fähig bist?“
„Ich habe mich entschuldigt“, sagte Zander. Das tat er selten, aber früher hatte es stets funktioniert.
„Passiert ist es trotzdem“, gab Charlotte zurück. „Ich weiß, wie du mich behandelt hast und andere behandelst, wie weit du als Geschäftsmann gehst.“ Es war einfacher, wütend zu sein, weil er sie noch immer faszinierte, weil sie in seiner Nähe schwach war. „Man braucht sich ja nur anzusehen, was du mit dem Süden von Xanos angestellt hast.“
„Alles zerfiel, die Leute zogen in Scharen weg. Ich habe ein verarmtes Fischerdorf in ein florierendes Urlaubsresort verwandelt. Ich habe Arbeitsplätze geschaffen.“
„Es gibt keine Jobs für die Einheimischen“, forderte Charlotte ihn heraus. „In der Taverne bedienen ein paar deine Bauarbeiter, ansonsten sind alle Angestellten vom Festland.“
Da waren sie wieder, die Schuldgefühle, die Charlotte in ihm auslösen konnte. Sie war so ein schmächtiges Ding und dennoch stärker als die meisten Menschen, stärker in ihrer Entschlossenheit, in ihren Überzeugungen. Zander schwieg, anstatt sich zu verteidigen.
„Würdest du mich jetzt bitte zurückfahren?“
„Wenn du es wünschst. Aber zuerst möchte ich wissen, warum deine Mutter meinetwegen ins Heim muss. Zumindest das will ich in Ordnung bringen.“
„Lass es auf sich beruhen“, bat Charlotte.
„Ich kann nicht. Wenn Nico dir kündigt, weil ich mit dir … Wie gesagt, ich habe einen Job für dich.“
„Eine bezahlte Geliebte?“, spottete Charlotte.
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