Julia Extra 360
Zander.
Die Heizung sprang an, doch es würde dauern, bis sich die Wärme im Haus ausgebreitet hatte. Einen Moment lang kuschelte sich Charlotte ein und stellte sich vor, dass Zander ganz nahe war, malte sich die Situation anders aus. Charlotte liebte es, sich Träumen hinzugeben, wusste aber, dass sie sich nicht dabei aufhalten konnte. Sie berührte mit dem großen Zeh den Teppich und zog den Fuß wieder unter die Decke.
Nein, sie musste aufstehen. Um neun kam eine Pflegerin, und vorher wollte Charlotte das Haus ein bisschen besser aufgeräumt haben.
Sie quälte sich aus dem Bett. Während sie durch das eiskalte Schlafzimmer tappte, erblickte sie sich im Spiegel. Wie eine Frau, die mit ihrem Leben unzufrieden war, sah sie nicht aus. Sie hatte einen verschossenen zitronengelben Pyjama an, ihr Haar musste gewaschen werden, aber sie trug eine Einhunderttausend-Dollar-Halskette und konnte in den Spiegel schauen und lächeln.
Die schwersten Wochen ihres Lebens lagen vor ihr, und dennoch war sie sicher, dass sie damit fertig wurde. Sie hatte sich ausgesöhnt mit den Entscheidungen, die sie getroffen hatte.
Roula hatte sie gelehrt, dass sie an ihre Mutter gebunden war. Von den vor langer Zeit begangenen Fehlern Roulas und von ihrem Leid zu erfahren hatte Charlotte erkennen lassen, dass sie selbst für immer an ihre Mutter gebunden war. Nicht aus Pflichtgefühl, sondern aus Liebe.
Trotzdem murrte Charlotte, als es klingelte. Bestimmt hatte der Pflegedienst wieder die Termine durcheinandergebracht. Sie riss die Tür auf und schlug sie sofort wieder zu, nicht im Zorn, nur total schockiert.
An einem kalten Wintermorgen sollte man eine Frau ja wohl vorwarnen, wenn der Mann ihrer Träume zu Besuch kommt.
„Charlotte! Können wir reden?“
„Jetzt?“
„Jetzt.“
Sie hörte die flehende Bitte, spürte die Not dahinter und machte einem Mann auf, den nur ihr Herz wiedererkannte. Er sah übernächtigt aus, sein Anzug war zerknittert, das Kinn und die Wangen unrasiert, und sie roch Brandy, aber sie konnte nicht anders, als ihn hereinzulassen.
„Was ich dir anbieten wollte, war kein Job …“
„Ich weiß.“
„Und ich wollte dich an dem Abend nicht bitten, meine Geliebte zu werden.“
„Auch das weiß ich.“
„Hättest du trotzdem Nein gesagt?“
„Nein“, gab Charlotte zu.
Wenn sie es rechtzeitig zum Dinner geschafft hätte, wenn Zander ihr seine Welt angeboten hätte und die Rolle der einzigen Frau in seinem Leben, hätte sie Ja gesagt.
„Aber ich bin sicher, ich hätte es bereut. Ich will den Zander, den ich zu kennen glaubte, von dem ich glaubte, er könne es nicht erwarten, seinen Bruder zu treffen.“
„Ich habe mit Nico gesprochen. Ich habe ihn gestern besucht. Heute früh hat er mir deine Adresse gesimst. Ich verstehe, wenn dir nicht mehr groß nach Reden ist. Eins muss ich jedoch wissen: Habe ich dich deinen Job gekostet?“
„Nein. Nein, ich …“ In der Diele über solche Dinge zu sprechen war unmöglich. „Komm mit.“
Überrascht blickte Zander sie an, als Charlotte ihn nicht ins Wohnzimmer, sondern in ihr Schlafzimmer führte. Es war der einzige Platz im Haus, wo sie allein sein konnte. Sie setzte sich aufs Bett und Zander auf den Sessel.
„Ich hatte vor, Mum in einem Heim unterzubringen. Zu dem Zeitpunkt wäre es die richtige Entscheidung gewesen. Ich musste arbeiten und konnte sie einfach nicht mehr pflegen. Nach meiner Rückkehr habe ich erfahren, dass Mum nur noch einige Monate zu leben hat. Deshalb habe ich das Haus mit einer kleinen Summe beleihen und mich für ein Jahr von meinem Job freistellen lassen.“
„Du hättest die Halskette verkaufen können.“ Zander lächelte, weil sie nicht in einem Schmuckkasten eingeschlossen war, weil Charlotte sie zu einem Pyjama trug. „Damit habe ich versucht, für dich zu sorgen.“
„Ich würde sie niemals verkaufen. Ganz gleich, wie wertvoll sie ist, für mich ist sie mehr wert als alles Geld der Welt.“
Zander betrachtete ihr müdes Gesicht, die glanzlosen Augen, das strähnige Haar, doch alles, was er wahrnahm, war seine schöne Charlotte.
„Du hättest anrufen sollen“, sagte sie. „Mich vorwarnen.“
„Ich wollte dich sehen.“
„Tja, das hast du jetzt. Es geht mir gut. Wenn ich so weit bin, wieder zu arbeiten, habe ich noch immer einen Job. Du kannst mit reinem Gewissen gehen.“
Aber Zander tat es nicht.
„Du musst erschöpft sein.“
„Ein bisschen“, gab Charlotte zu. „Mir ist klar, dass ich es nicht
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