Julia Extra Band 0193
als dass ich mein Leben tagaus, tagein mit einem Mann teilen muss, den ich nicht liebe.“
„Wer hat gesagt, dass ich ihn nicht liebe?“, schmollte Pen mit Tränen in den Augen. „Du bist immer so … Du willst es mir ausreden!“
„Nein, ich will es dir nicht ausreden. Ich will nur das Beste für dich. Das habe ich immer gewollt.“
Pen sah tatsächlich für einen Moment beschämt aus. „Das weiß ich doch. Ach, ich benehme mich wie eine dumme Kuh.“
Cass lächelte. „Na ja, vielleicht wie ein dummes Kälbchen.“
Pen sah auf, und die Schwestern lachten zusammen. Die Spannung war entschärft. Dann sagte Pen schlicht: „Sag mir, was ich tun soll, Schwesterherz.“
Aber es war unmöglich, dass Cass auf magische Weise die richtigen Antworten hervorzauberte. „Das kann ich nicht, Pen. Nur du weißt, was du für Tom fühlst.“
„Oh, ich liebe ihn wirklich“, setzte Pen fast trotzig an, „aber …“
„Aber?“
„Aber, nun … Neben Dray wirkt er irgendwie … wie ein kleiner Junge.“
Cass stöhnte auf. „Pen, du willst doch wohl nicht sagen, du hättest ein Auge auf seinen älteren Bruder geworfen?“
„Nein, natürlich nicht.“ Die langsam gesprochenen Worte klangen nicht sehr überzeugend, erst recht nicht, als Pen fortfuhr: „Weißt du, am Anfang war er interessiert an mir. Da bin ich mir ganz sicher. Wenn ich ihm doch nur nicht gesagt hätte, ich sei sechzehn …“
„Moment mal“, unterbrach Cass und rechnete nach. „Du musst doch schon siebzehneinhalb gewesen sein.“
Pen nickte. „Ja, aber ich dachte, je jünger, desto besser. Die meisten älteren Männer stehen auf so was.“
Cass zuckte unmerklich zusammen. Mit welchen Männern war Pen denn bisher zusammen gewesen?
„Aber er nicht.“ Pen rollte mit den Augen. „Weißt du, was er zu mir gesagt hat? Ich solle mich nochmal melden, wenn ich einundzwanzig sei. Und dann hat er mir einen Kuss auf die Stirn gegeben, so, wie man es bei einem Kleinkind tut, und hat mir ein Taxi bestellt.“
„So ein ungehobelter Kerl“, murmelte Cass und applaudierte Drayton Carlisle innerlich angesichts einer solch vernünftigen Entscheidung.
„Und herrisch ist er auch“, fuhr Pen mit Schmollmund fort. „Stell dir vor, er hat Tom nur drei Wochen für die Hochzeitsreise gegeben.“
„Nein, wirklich?“ Cass bemühte sich, empört zu klingen. Drei Wochen erschienen ihr sehr großzügig.
„Das Problem ist nur, er ist so wahnsinnig sexy.“
Das konnte Cass nicht bestreiten. Drayton Carlisle fiel mit Sicherheit in die Kategorie „sexy“. Aber sollte Pen das auffallen, wenn sie doch morgen seinen jüngeren Bruder heiratete?
Pen sah die Bedenken auf dem Gesicht ihrer Schwester und machte einen Rückzieher. „Keine Sorge, ich finde viele Männer sexy. Das heißt nicht, dass ich deswegen direkt etwas unternehme.“
Noch immer stand die tiefe Falte auf Cass’ Stirn. „Nun, die vielen Männer, die du sexy findest, wohnen aber nicht mit dir unter demselben Dach, oder? Drayton Carlisle schon.“
„Na und? Dann wird dem armen Kerl eben bewusst, was er verpasst hat. Ich sehe ihn schon – alt und voller Falten, mit gebeugtem Gang –, wie er mir bis ans Ende seiner Tage nachtrauert.“
Cass war nicht sicher, ob Pen wirklich scherzte, aber sie lachte trotzdem mit Pen wie über einen gelungenen Witz.
„Kann ich daraus entnehmen, dass die Hochzeit stattfindet und du ab morgen Mrs Tom Carlisle bist?“, fragte Cass trocken.
„Was glaubst du denn?“ Pen zog eine Grimasse. „All das Geld – das werde ich mir doch nicht entgehen lassen!“
„Pen!“ Diesmal war Cass ehrlich schockiert, aber Pen grinste nur und kuschelte sich unter die exklusiven Laken.
Und während Pen den Schlaf der Gerechten schlief, nachdem sie ihr Gewissen durch das Gespräch mit ihrer Schwester beruhigt hatte, lag Cass noch lange wach und grübelte.
Am Morgen schien es nie Zweifel für Pen gegeben zu haben. Sie schäumte über vor Energie, lachte und redete ununterbrochen über die Hochzeit, die Flitterwochen, das Haus, das Tom und sie sich bald kaufen würden. Und genauso zauberhaft und strahlend schwebte sie wenig später durch das Mittelschiff der voll besetzten altgotischen Kathedrale, um Thomson Carlisle vor den Augen der versammelten Carlisle-Familie das Jawort zu geben.
Pen hatte Cass gefragt, ob sie Trauzeugin sein wolle, doch Cass hatte sich lieber damit zufriedengegeben, in einer der vorderen Reihen zu sitzen, die geradezu ätherische Schönheit ihrer
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