Julia Extra Band 0193
Weile.
“Oje!” Zoë warf einen Blick auf den Fernseher und sah, dass der Stecker herausgezogen war.
“Kyle, hilf mir, Miss Bernards Koffer hereintragen”, bat sein Vater.
Einen Augenblick lang dachte Zoë, das Kind würde die Bitte seines Vaters ignorieren, aber dann trottete es gehorsam hinter ihm her nach draußen.
“Sie sind hergekommen, um auf uns aufzupassen, nicht wahr?”, fragte das kleine Mädchen. Es hatte die Beine übereinandergeschlagen und wirkte wie eine Erwachsene in ihrem verkehrt herum angezogenen Schürzenkleid. “Großmutter Ellen braucht Ruhe, wissen Sie. Wir haben sie ermüdet.”
“Wirklich? Das habt ihr sicher nicht mit Absicht getan.”
“Nein, aber Kyle ist ein bisschen anstrengend. Wohnen Sie in London?”
„Ja.”
“Kennen Sie die Queen?”
“Nicht persönlich.”
“Alice, lass Miss Bernard in Ruhe! Sie ist zu müde, um deine Fragen zu beantworten”, sagte Callum, als er die Koffer hereinbrachte.
“Mir macht das nichts aus.” Zoë lächelte das kleine Mädchen an. “Du kannst ruhig Zoë zu mir sagen.”
“Ich möchte Ihnen Ihr Zimmer zeigen.” Callum nahm Kyle einen riesigen Kosmetikkoffer ab. “Hier hinauf!”, sagte er und wies auf ein schmales Treppenhaus.
Zoë folgte ihm die steilen Stufen hinauf und dann einen langen dunklen Korridor entlang. Alice und Kyle kamen hinterher.
Zoë gefiel das Farmhaus. Es war sehr alt und hatte Charakter. Die Dielen knarrten, als sie den Flur entlanggingen. Die Türen waren so niedrig, dass Callum sich bücken musste, als er sie in ihr Zimmer führte.
Es war ein großer Raum mit einem riesigen hölzernen Bett in der Mitte und dunklen Schränken. Wie die Diele im Erdgeschoss wirkt das Zimmer wie aus der guten alten Zeit, dachte Zoë, doch müsste es rundherum ein wenig aufpoliert werden, um wieder in altem Glanz zu erstrahlen.
Frisch gestrichen und mit ein paar neuen Möbeln versehen, würde es ganz entzückend sein.
“Es ist sehr warm hier”, bemerkte sie und legte eine Hand auf den Heizkörper.
“Es ist ja noch nicht Frühling, und ich habe das Haus gern warm”, erwiderte Callum. “Aber ich kann die Heizung für Sie niedriger stellen.”
Während er sich an dem Heizkörper zu schaffen machte, trat Zoë an eines der beiden Fenster. Der Blick über die Landschaft war herrlich. Man müsste ihn malen, dachte sie und war froh, dass sie ihre Malutensilien alle mitgebracht hatte.
Als sie das Fenster öffnete, bemerkte sie gleich die originalen Fensterrahmen.
“So ist es besser”, sagte sie und lächelte Callum an. “Sie könnten Orchideen hier drinnen züchten.”
Halbherzig erwiderte er das Lächeln. Man sah ihm an, dass er ihr mit Zurückhaltung begegnete.
“Sie leben in einem wunderschönen Teil der Welt”, sagte sie leise, bemüht, die Atmosphäre ein wenig aufzulockern. “Schon immer habe ich den Lake District geliebt. Meine Mutter brachte mich manchmal an den Wochenenden her, als ich noch klein war.”
Das klang traurig. Ihre großen grünen Augen, die von dichten dunklen Wimpern beschattet wurden, drückten Verletzlichkeit aus.
Dann lächelte sie ihn wieder an auf eine Weise, die Callum verwirrte. Zoë ist eine Frau, der die Welt zu Füßen liegen würde, wenn sie es wollte, dachte er.
Sie hat nie in ihrem Leben Probleme gehabt. Immer war Daddy da, der alles für sie regelte.
Er stellte den schweren Koffer in der Nähe des Schrankes ab.
“Brauchen Sie noch etwas?”, fragte er höflich.
“Ich glaube nicht.”
Sie ging durch das Zimmer und setzte sich aufs Bett. Es war hart und gab überhaupt nicht nach. Es ist ein bisschen wie Callum Langston, dachte sie. Sie war es nicht gewöhnt, dass ein Mann nicht auf ihr Lächeln reagierte. Normalerweise blitzten die Augen vor Bewunderung, wenn ein Mann sie ansah, aber Callum schien in ihr ein Wesen vom anderen Stern zu sehen. Er hat einen perfekten Körperbau, stellte sie fest, als ihre Blicke sich auf seine breiten Schultern hefteten. Honey, ihre Mitbewohnerin, würde Callum anbeten. Sie war eine Tänzerin mit unwahrscheinlich langen Beinen, die darunter litt, dass sie keinen großen schönen Mann fand. Auf Callum würde sie fliegen, das stand fest.
Nun wandte sie ihre Aufmerksamkeit den Kindern zu, die immer noch auf der Türschwelle standen. Alice war ein liebes Mädchen, aber Kyle war, ähnlich wie sein Vater, zurückhaltend und vielleicht sogar ein wenig feindselig.
“Großmutter Ellen wird bald zurückkommen”, sagte er, als er sich beobachtet
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