Julia Extra Band 0193
sich seine Gesichtszüge veränderten, als sie diese Frage stellte.
“Es tut mir leid, ich wollte nicht neugierig sein.”
“Ist schon gut.”
“Es ist hart, jemanden zu verlieren, den man geliebt hat, nicht wahr?”, fragte sie weiter.
“Sie vermissen doch sicher auch Ihre Mutter, oder?”
“Ja, das stimmt. Selbst nach all diesen vielen Jahren.”
Schon kam in der Ferne das Farmhaus in Sicht. Das weiße Gebäude fügte sich harmonisch in die malerische Landschaft. Ein kleiner Obstgarten schützte das Haus an einer Seite. Frisches Grün putzte die Bäume, die kurz vor der Blüte standen. Am Horizont zeichneten sich, rosa schimmernd, die Berge vom blauen Himmel ab.
“Ich glaube, ein Mädchen braucht die Mutter”, nahm Callum das Gespräch wieder auf.
“Ja, aber auch ein achtjähriger Junge braucht sie. Ich habe das Gefühl, dass Kyle seine Mutter schrecklich vermisst.”
“Er kann sich kaum an sie erinnern. Trotzdem glaube ich, dass Sie recht haben. Er vermisst sie.”
“Sie sprechen nicht gern darüber, nicht wahr?”, fragte Zoë.
“Um ehrlich zu sein, dies ist ein Thema, über das ich im Allgemeinen überhaupt nicht spreche.”
“Vielleicht sollten Sie das aber. Man sagt, dass über Trauer zu sprechen ein Teil des Heilungsprozesses ist.”
“Es gibt nichts mehr zu heilen.” Callum warf ihr einen äußerst befremdeten Blick zu. “Können wir jetzt das Thema wechseln?”
“Es tut mir leid … es geht mich ja auch nichts an. Ich hätte besser den Mund halten sollen.”
Callum sah sie an und bereute im gleichen Augenblick, dass er das Gespräch abgebrochen hatte. Er fühlte plötzlich, dass alles, was sie dazu zu sagen hatte, wert war, hinzuhören.
Weil ein Schaf auf der Straße lief, fuhr Callum langsam weiter und hielt schließlich an, froh, dass er jetzt seine ganze Aufmerksamkeit Zoë zuwenden konnte.
“Kyle erinnert mich in mancher Hinsicht an mich selbst, als ich in seinem Alter war”, sagte Zoë. “Ich war lange Zeit sehr unsicher und sehr verletzlich.”
“Und konnte Ihr Vater mit Ihnen darüber reden?”
“Er versuchte es”, gab Zoë lächelnd zu, aber es lag ein Hauch von Traurigkeit in ihrem Blick. “Er war selbst am Boden zerstört, weil er Mom so sehr vermisste. Sie war die Liebe seines Lebens gewesen. Wie die meisten Männer, wurde er damit fertig, indem er seine Gefühle verschloss und sich in die Arbeit stürzte.”
“Und was haben Sie getan?”
“Ich? Ich habe gelernt, auf eigenen Füßen zu stehen.”
Callum geriet immer mehr in ihren Bann. Ihre Natürlichkeit faszinierte ihn. Nie machte sie sich wichtig, nie gab sie mehr von sich preis, als unbedingt nötig war.
“Der Weg ist frei.”
Callum ließ den Motor an und fuhr langsam weiter. “Und wie stehen die Dinge jetzt zwischen Ihrem Vater und Ihnen?”, fragte er.
“Sie sind okay.” Sie wollte nicht tiefer in die Problematik eindringen, sondern Callum nur wissen lassen, dass sie Verständnis für ihren Vater hatte und die schwierige Situation, in der er sich befand.
Callum parkte den Wagen hinter dem Haus und bedauerte, dass die Fahrt schon zu Ende war. Gern hätte er noch mehr über Zoë erfahren.
“Es sieht so aus, als ob Ihr Bruder immer noch hier ist”, sagte sie, als sie dessen Wagen am Haus geparkt sah.
“Vielleicht gab es draußen Probleme. Vielleicht hat er aber auch nur darauf gewartet, Sie wiederzusehen und erneut um ein Rendezvous zu bitten. Mein Bruder ist es nicht gewöhnt, abgewiesen zu werden.”
Zoë sah ihn an und stellte fest, dass beide Brüder sehr gut aussahen, Callum vielleicht noch ein wenig besser. Er war größer, hatte breitere Schultern und war athletischer gebaut.
Sie gingen ins Haus, wo Callum sich sogleich die Gummistiefel anzog. “Die Kinder kommen um halb vier aus der Schule. Werden Sie den Weg finden, um sie abzuholen?”, fragte er.
“Selbstverständlich. Ich habe ja auch den Weg hierher gefunden.”
“Okay. Sie sollten aber, solange Sie hier sind, meinen Wagen mit dem Vierradantrieb benutzen. Er ist sicherer als Ihr Sportwagen. Die Straßen können in dieser Jahreszeit tückisch sein.” Er legte die Schlüssel auf den Tisch und erinnerte sie noch daran, dass sie die Lämmer fütterte.
“Sie meinen Skip und Skittle?”, fragte sie scherzend.
“Sie wissen, was ich meine.” Als er gehen wollte, klingelte das Telefon in der Halle. “Würden Sie den Anruf für mich beantworten, Zoë? Ich möchte mit diesen Stiefeln nicht durch die Küche
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