Julia Extra Band 0193
kurzem Haar. Eine Kollegin, die ihm zur Seite gestanden hatte und für ihn da gewesen war, als er durch eine sehr schwierige Phase in seinem Leben gegangen war. Liebe war es nicht gewesen, eher ein gegenseitiges Trösten, beruhend auf einem beiderseitigen Bedürfnis nach menschlicher Wärme. Wenn sie damals nicht beide dieses Verlangen gehabt hätten, wäre ihre Beziehung wohl nie über kollegiale Freundschaft hinausgegangen. Unwillkürlich runzelte er die Stirn, als er daran dachte, wie unangenehm die ganze Geschichte ausgegangen war.
Diese Ellen hatte doch tatsächlich behauptet, sie würde ein Kind von ihm erwarten. Er hätte sich nie träumen lassen, dass eine so großzügige und eigentlich wunderbare Frau auf solch billige Tricks verfallen würde. Und hartnäckig war sie auch gewesen. Wahrscheinlich hatte sie sich ausgerechnet, mit ihm das große Los gezogen zu haben. Aber sie hatte ja nicht ahnen können, dass er nicht der Vater ihres Kindes sein konnte, selbst wenn er gewollt hätte.
Er versuchte sich Haleys Ellen vorzustellen, wie sie ausgesehen haben mochte. Wahrscheinlich ein ähnlicher Typ wie Haley, und ebenso barmherzig wie sie, um ihm mitten in der Nacht noch einen Kakao zu machen.
“Ich kannte mal eine Ellen”, meinte er nachdenklich.
Haleys Nerven waren zum Zerreißen gespannt. “Wie interessant.”
“Nein, war es nicht.”
Ihr Blick schien ihn durchbohren zu wollen. “Warum? Sie kamen nicht gut miteinander aus?”
“Doch, eigentlich schon. Bis sie mich angelogen hat.”
“Sie muss einen guten Grund dafür gehabt haben.”
Sein Stirnrunzeln wurde tiefer. Es ärgerte ihn, dass sie so anstandslos Partei für Ellen ergriff. “Nein, hatte sie nicht. Sie wollte mich austricksen, damit ich ihr Kind unterstütze.”
Haley verschüttete etwas von ihrem Kakao. Sam bemerkte, dass ihre Hände zitterten. Hatte er etwa einen wunden Punkt getroffen? Hatte Joels Vater Haley vielleicht das Gleiche vorgeworfen?
Hektisch wischte sie die braune Pfütze auf. “Sie sind sich sehr sicher, dass es ein Trick war.”
Das Zittern in ihrer Stimme sagte ihm, dass er mit seiner Annahme nicht weit danebenliegen konnte. Auf jeden Fall hatte sie durch Joels Vater gelitten. Aber er konnte sich nicht vorstellen, dass Haley lügen würde, wenn es um Joels Vater ging. Nein, bestimmt nicht. “Ja”, sagte er schließlich dumpf, “ich bin mir sicher. Und glauben Sie mir, ich wäre es lieber nicht.”
Sie sah ihn verständnislos an, aber er hatte nicht vor, es ihr zu erklären. Zumindest noch nicht. Dann senkte sie den Blick und rieb sich die Oberarme, als sei ihr kalt.
“Ich kann die Heizung aufdrehen”, bot er an. Er konnte sich einen viel besseren Weg vorstellen, um sie aufzuwärmen, aber er bezweifelte, dass sie das mitmachen würde.
“Nein, nicht nötig.” Sie trank ihre Tasse leer. “Ich werde sofort wieder warm, wenn ich im Bett bin.”
Die Vorstellung gefiel ihm, aber er war in diesem Szenario wohl nicht vertreten.
Sie stellte ihre Tasse ins Spülbecken und ließ Wasser hineinlaufen. “Ich werde dann morgen früh wieder fahren.”
Erst jetzt wurde ihm klar, dass er davon ausgegangen war, sie würde bleiben. Das hatte ihm ja auch die unvorhergesehene Katastrophe bei der Werbetour leichter gemacht. “Müssen Sie denn weg?”
“Sie brauchen wohl keinen Haus-Sitter, wenn Sie selbst hier sind, oder?”
Natürlich, das war nur logisch, aber trotzdem spürte er bei der Aussicht, sie zu verlieren, einen Schlag in den Magen. “Aber mein Büro muss in Ordnung gebracht werden.”
Sie drehte sich um. “Das kann ich auch, ohne unter Ihrem Dach zu wohnen.”
Er musste schnellstens ein paar gute Gründe finden! “Wird es denn nicht schwierig für Sie sein, ständig mit dem Baby zu pendeln?”
“Das schaffe ich schon.”
“Ich meinte auch nicht, dass Sie es nicht schaffen. Aber warum so viel Umstand, wenn es hier im Haus doch genügend Zimmer gibt? Es sei denn, Ihnen behagt der Gedanke nicht, mit mir unter einem Dach zu leben. Aber ich versichere Ihnen, ich werde ein Paradebeispiel an Zurückhaltung sein.” Warum sagte er einen solchen Unsinn? In ihrer Nähe kam ihm alles Mögliche in den Sinn, aber keine Zurückhaltung.
Sie schien ebenso zu denken. “So wie heute Nachmittag?”
“Was denn, Sie wollten nicht von mir geküsst werden?”
Er wusste ganz genau, dass sie es gewollt hatte, und er konnte es auch in ihren Augen sehen.
“Falls ich bleibe, darf das nicht wieder geschehen.”
War das
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