Julia Extra Band 0193
lange, bis die Arbeit erledigt ist.”
“Außerdem – wenn der Streik beendet wird und ich kurzfristig auf Reisen gehen muss, bist du schon hier und gut eingelebt.” Er hielt es für unnötig, zu erwähnen, dass die Chancen für ein schnelles Streikende minimal waren. Aber warum sollte er sich selbst den Boden unter den Füßen weggraben?
Sie dachte nach. “Stimmt. Und in deinem Büro gibt es vorerst genug Arbeit.”
So leicht, wie sie eingewilligt hatte, musste sie ebenso sehr bleiben wollen, wie er wollte, dass sie blieb. Seine Stimmung, die heute diverse Schläge hatte einstecken müssen, hob sich immens. Dass die Werbetour ins Wasser gefallen war, schien ihm jetzt fast wie ein Geschenk der Götter.
“Nun, dann sehen wir uns also morgen früh”, meinte er gut gelaunt. “Aber ich muss dich warnen: Ich bin ein Frühaufsteher. Ich habe mein Tagespensum schon fast erledigt, wenn die meisten Leute gerade von ihrem Wecker aus dem Schlaf gerissen werden. Ich werde versuchen, dich nicht zu stören.”
“Keine Sorge, ich schlafe wie ein Stein. Vor allem, wenn Joel mich in der Nacht mehrmals weckt. Aber es wird besser. Er schläft jetzt schon fast die ganze Nacht durch.”
“Es muss schwer sein für dich, so ganz allein mit allem fertigzuwerden.”
“Ist es, ja, aber wir schaffen das schon.”
Sie war wieder auf Distanz gegangen. Was hatte er nur gesagt? Irgendwann würde er herausfinden, was genau zwischen ihr und Joels Vater geschehen war. Vielleicht würden die Wunden dann auch zu heilen anfangen. Aber bis dahin war sie wie ein Pulverfass aus Bitterkeit und Wut, das beim kleinsten Funken explodieren konnte.
“Also, ich werde mir dann den Wecker stellen. Und du solltest jetzt auch wieder zu Bett gehen”, sagte er.
“Wirklich? Ich meine, ich bin für eine Aufgabe eingestellt und …”
“Nein, es gibt eine geregelte Arbeitszeit. Und übrigens bin ich auch während der Arbeitszeit kein Monster, es sei denn, man stört mich beim Schreiben.” Oder wenn mich jemand anlügt, dachte er, sagte es aber nicht.
Das würde sicherlich nie ein Problem zwischen ihm und Haley werden.
4. KAPITEL
Ein lauter, fordernder Schrei ertönte, und Haley hob jäh den Kopf. Sie arbeitete an Sams Computer, und ihr Mut sank. Joel konnte doch unmöglich schon wieder wach sein. Sie hatte ihn erst vor einer halben Stunde zu seinem Mittagsschlaf hingelegt und darauf gehofft, er würde mindestens zwei Stunden schlafen, damit sie sich auf die Arbeit konzentrieren könnte.
“Tja, erstens kommt es anders und zweitens, als man denkt”, seufzte sie ergeben und erhob sich.
“Es ist nicht deine Schuld, dass ich so gereizt bin”, murmelte sie, als sie Joel aus dem Kinderwagen hob. Sobald er sich in ihre Arme gekuschelt hatte, hörte er schlagartig auf zu weinen. “Du solltest dir mal das Chaos da drüben”, sie deutete mit dem Kopf zu Sams Arbeitszimmer, “ansehen. Mir ist unbegreiflich, wie Sam überhaupt etwas findet. Er kann froh sein, dass er diesen Assistenten los ist. Aber wahrscheinlich war das der Einzige, der sich Sams üble Laune hat gefallen lassen.”
Joel lehnte das Köpfchen an ihre Schulter, steckte den Daumen in den Mund und brabbelte: “Mem-mem.”
Sie grinste schief. “Du meinst wohl ‚Männer‘, was?” Sie drückte Joel einen dicken Kuss auf die Wange und erntete dafür ein breites Lachen. “Ich vergesse immer, dass du auch einer bist. Oder besser, du wirst ein Mann sein, wenn du groß bist. Aber ich werde schon zusehen, dass du dich zu einem dieser wunderbaren neuen Männer mauserst, eines von diesen sensiblen, gefühlvollen männlichen Wesen, von denen jede Frau träumt.”
“Spricht da jemand von mir?”
Sie verschluckte sich fast, als Sam hinter ihr auftauchte. Sofort waren ihre Sinne in Alarmbereitschaft. Außerdem wurde sie ärgerlich. Niemand käme auf die Idee, ihn sensibel oder gefühlvoll zu nennen, außer er selbst natürlich. Ihrer Schwester gegenüber hatte er sich so kalt und unmenschlich wie nur denkbar benommen. Haley gegenüber gab er sich zwar anders, aber das lag sicher nur daran, weil er ihre Hilfe brauchte.
Er hatte sie ja gewarnt, er werde zu einem Monster, wenn er arbeitete, und damit hatte er keineswegs übertrieben. Gestern Morgen hatte Haley den kapitalen Fehler gemacht und ihm eine Frage gestellt, während er am Computer saß und schrieb. Seine Antwort war in einem Vokabular abgefasst gewesen, das sie noch nicht einmal kannte. Eigentlich erwartete sie eine
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