Julia Extra Band 0193
“Ich hatte es angeboten, oder etwa nicht? Aber um dir zu beweisen, dass das Angebot auch ehrlich gemeint war, werde ich mit Joel jetzt ein wenig an die frische Luft gehen. Dann kannst du dir in Ruhe einen ersten Eindruck von den Zeichnungen verschaffen.”
Er setzte sich auf einen Stuhl und wippte Joel auf seinem Knie. “Ich meinte es ernst.” Er sah Haley eindringlich an. “Joel sollte Kontakt zu seinem Vater haben. Ganz gleich, was zwischen euch beiden passiert ist. Aber es war wirklich nicht der richtige Moment, um es zur Sprache zu bringen.”
“Entschuldigung akzeptiert”, sagte sie unwillig, denn als echte Entschuldigung konnte man seine Worte wohl kaum ansehen.
“Dann bin ich froh, dass wir das aus der Welt geschafft haben.”
Falls Sam darauf wartete, dass sie ebenfalls irgendetwas Entschuldigendes vorbringen würde, dann konnte er lange warten.
6. KAPITEL
Eine Stunde später erschien Sam im Büro.
“Komm mit nach draußen. Es ist ein viel zu schöner Tag, um zu arbeiten. Du könntest auch ein wenig frische Luft gebrauchen.”
Sie starrte unverwandt auf den Computerbildschirm, um der Versuchung zu widerstehen, einfach zuzusagen. Sie gab sich doch solche Mühe, “das Biest”, als das ihre Schwester ihn beschrieben hatte, nicht zu mögen. Aber er machte es ihr so unglaublich schwer.
Nicht nur, dass er abwechselnd mit ihr die Aufgabe übernahm, das Abendessen vorzubereiten, nein, er brachte ihr auch frischen Kaffee und etwas Kleines zu naschen an den Schreibtisch. Außerdem kümmerte er sich rührend um Joel und verbrachte viel Zeit mit ihm, damit sie in Ruhe arbeiten konnte. Es wurde immer schwieriger, ihn als den kalten, herzlosen Mann zu sehen, der Ellen betrogen hatte.
Und gerade deshalb schüttelte sie jetzt den Kopf. “Ich muss hier fertig werden.”
Er legte eine Hand auf ihre Schulter. “Du hast in einer Woche mehr geschafft, als ich in einem ganzen Monat erwartet hätte. Sieh dich doch mal um.”
Sie brauchte sich nicht umzusehen, sie wusste, wie viel sie getan hatte. Die Ablage war erledigt und so organisiert, dass er jederzeit alles finden würde. Leider hatte diese Arbeit sie auch davon abgehalten, nach den alten Skizzen zu suchen. Sam hatte vorgeschlagen, die Organisation für die Ausstellungsbilder selbst zu übernehmen, in der Annahme, er täte ihr damit einen Gefallen und würde ihr Arbeit abnehmen. Natürlich hatte sie nicht protestieren können, sonst hätte sie sich verraten oder ihn zumindest misstrauisch gemacht.
Der Computer war das Letzte, was noch zu erledigen war. Gestern hatte sie den ganzen Tag damit zugebracht, die aktuellen Dateien, an denen er arbeitete, in Ordnung zu bringen und Sicherheitskopien zu machen. Seine Sorglosigkeit im Umgang mit seiner Arbeit war erschreckend. Eines Tages würde er etwas verlieren, das nicht mehr wiederherzustellen war.
Als sie ihm das sagte, hatte er nur mit der Schulter gezuckt. “Von den Manuskripten existieren Kopien. Alles andere sind nur Ideen. Und aus den meisten wird sowieso nichts Konkretes.”
Irgendwann würde vielleicht doch einmal etwas aus diesen Ideen, hatte sie erwidert, und genau deshalb standen jetzt auf dem Regal fein säuberlich geordnet rote Disketten für Manuskripte, blaue für Ideen und gelbe für aktuelle Kopien. Sie erwartete nicht, dass er diese Ordnung lange beibehielt, aber dann würde sie auch nicht mehr da sein, um das neuerliche Chaos erleben zu müssen.
Der Gedanke, dieses Haus und Sam verlassen zu müssen, versetzte ihr einen Stich. Sie schob die Schuld dafür auf die Tatsache, dass sie seit heute Morgen nichts mehr gegessen und noch keine Pause gemacht hatte. Sie hatte es einfach vergessen.
“Gibt es etwas Neues über die Tour?”, fragte sie, während ihre Finger weiter über die Tastatur flogen.
Sam schüttelte den Kopf. “Vielleicht sagen wir die ganze Sache ab. Ich kann auch hier Interviews geben für Radio- und Fernsehsendungen, und der Verlag spielt mit dem Gedanken, einen Chatroom im Internet einzurichten, sodass ich mit den Kindern via Computer kommunizieren kann. Das heißt, die Werbetour läuft weltweit, ohne dass ich das Haus verlassen muss. Schließlich leben wir in modernen Zeiten. Dieser Streik war für mich vielleicht sogar ein Glücksfall.”
Also würde er überhaupt keinen Haus-Sitter brauchen. Sie schaffte es, nicht enttäuscht zu klingen. “Aber via Computer kann man keine Bücher signieren.”
Er schaute auf seine Hand und streckte seine Finger. “Ich habe
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