Julia Extra Band 0193
anzusehen. „Ich habe in der Zeitung gar nichts davon gelesen. Ist das nicht seltsam? Er ist doch kein Unbekannter, sondern ein geschätzter Journalist.“
Piper lächelte bitter. „Seine Familie hat die Sache absichtlich geheim gehalten.“
„Wieso? Was ist denn passiert?“
„Er hat wohl mit jungen, militanten Studenten ein Gelage mitgemacht“, erklärte Piper. „Du kennst doch Wes. Er hat immer nach einem neuen Blickwinkel Ausschau gehalten und versucht, auf irgendwelche verrückten Weisen von einem Insider Informationen zu bekommen, an die man sonst nicht herankommt. Billy Brown, ein anderer Reporter, der auf der Jagd nach derselben Geschichte war wie Wes, hat mich nach meiner Rückkehr in London aufgesucht. Er hat mir erzählt, dass die Studenten den angetrunkenen Wes zu einem Dragsterrennen überredet haben.“
„Er hat den Vorschlag natürlich angenommen.“
Piper nickte. „Wes konnte eine Herausforderung noch nie ablehnen.“
„Was ist passiert?“
„Er ist aus einer Kurve getragen worden. Wegen der Begleitumstände des Unfalls stand in der Zeitung nur eine kleine Nachricht über seinen angeblichen Verkehrsunfall.“
„Du hättest anrufen sollen.“
„Und was hätte ich euch dann sagen sollen?“, entgegnete Piper. „Du und Maura befandet euch noch in den Flitterwochen, ich konnte euch da nicht mit meinem Unglück kommen. Vor allem aber musste ich zuerst selbst mit der schrecklichen Neuigkeit fertig werden.“
„Aber du hättest das nicht allein durchstehen müssen“, schalt er sie zärtlich. „Dazu ist eine Familie doch da, dass sie einem in schlechten Zeiten Hilfe und Beistand leistet.“ Spencer nahm sie noch einmal in die Arme und drückte sie tröstend an seine breite Brust.
Sie hatte ihrem Bruder noch nichts von dem schrecklichen Streit mit Wes erzählt, den sie vor seiner Abreise nach Asien gehabt hatten. Nach dem ersten Schock über ihre unerwartete Schwangerschaft hatte sie gehofft, dass das Kind die wachsende Kluft zwischen ihnen überbrücken helfen würde, die sich in den letzten Monaten durch ihre unterschiedlichen Lebenseinstellungen aufgetan hatte.
Ihre Mitteilung hatte jedoch den gegenteiligen Effekt gehabt. Piper bezweifelte, ob sie den abschätzigen Blick von Wes jemals vergessen können würde. Er hatte sie mit einem demütigenden, feindseligen Gesichtsausdruck gefragt, ob das Kind wirklich von ihm sei. Bei der Erinnerung an diese Szene traten ihr wieder Tränen in die Augen.
„Ach, Piper“, sagte Spencer zärtlich. Er umarmte seine kleine Schwester noch einmal und drückte sie eng an sich. „Wir lieben dich, du weißt das doch. Wir sind immer für dich da, egal was passiert und was wir gerade machen.“
Piper machte sich aus seinen Armen frei. „Aus welchem Grund wäre ich sonst wieder zu euch nach Hause gekommen?“, fragte sie tief gerührt.
„Ach, da kommt Kyle schon wieder aus den Ställen.“
Piper fuhr sich eilig über die Augen, in denen das Wasser stand. Kyle sah immer noch fast so aus wie vor acht Jahren.
Sie ließ den Blick langsam über die einsachtzig hohe Gestalt schweifen. Er trug Jeans und hatte muskulöse Schenkel. Sein Bauch war flach, und die breiten Schultern lagen unter einem schwarzen T-Shirt verborgen. Insgeheim musste sie sich eingestehen, dass er immer noch der attraktivste Mann war, den sie je kennengelernt hatte.
„Ist mit Firefly alles in Ordnung?“, fragte Spencer, als Kyle zu ihnen getreten war.
„Firefly ist groß in Form“, beruhigte ihn Kyle. „Ich werde sie mir nächste Woche noch einmal ansehen.“
„Schön. Bis dann also. Ach, und viel Glück bei deiner Jagd nach einer Sprechstundenhilfe“, sagte Spencer.
„Danke.“ Kyle lächelte bedauernd. „Jetzt würde ich mich schon mit einer Kraft arrangieren, die nur ein paar Stunden am Tag da ist, damit ich nur einmal dem Papierkram wieder Herr werden könnte.“
„Vielleicht kann dir Piper aushelfen“, sagte Spencer. „Was meinst du denn dazu, liebste Schwester?“
Piper fiel vor Überraschung zunächst keine passende Antwort ein. Die Luft war plötzlich von einer seltsamen Spannung erfüllt.
Kyle brach das Schweigen als Erster. „Danke, Spencer. Aber deine Schwester scheint es nicht besonders zu schätzen, dass du mir ihre Dienste anbietest.“
„So ein Unsinn!“, erwiderte Spencer. „Außerdem könnte sie zurzeit gut etwas Ablenkung gebrauchen, nicht wahr?“
Beide Männer wandten sich Piper zu. Sie errötete unter den neugierigen Blicken, die auf
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