Julia Extra Band 0193
ihr ruhten.
„Nun, ich …“ Sie brach ab, weil sich in ihrem Kopf alles drehte. Sie suchte nach einer höflichen Entschuldigung. In diesem Moment bemerkte sie Kyles resignierten Blick. Er schien auf ihre Ausrede nur zu warten. „Ich helfe dir natürlich gern eine Zeit lang aus.“ Piper bemerkte mit einem Gefühl der Zufriedenheit Kyles überraschtes Gesicht.
Nun war es an Kyle, zu stottern. „Ach … gut, danke. Nur kann ich dir diese Aufgabe nicht aufbürden. Zumal ich leider jemanden mit Buchhaltungskenntnissen brauchen werde.“
„Dann ist Piper genau die richtige Frau für dich“, versicherte ihm Spencer, der übers ganze Gesicht strahlte. „Sie führt mit einer Freundin ein kleines Fotostudio in London. Piper kennt sich mit Buchhaltung ziemlich gut aus. Stimmt das nicht?“
„Ja, ich kenne mich ein wenig damit aus“, versicherte Piper.
„In der Tat“, sagte Kyle zögernd, der durch Spencers Lob nicht sonderlich beeindruckt wirkte. „Ich weiß das freundliche Angebot wirklich zu schätzen, aber …“
„Ich dachte, dass du über jede Hilfe froh wärst. Außerdem tust du mir mit diesem Job wirklich einen Gefallen“, sagte Piper. Sie war nun doch verärgert darüber, dass er ihr großzügiges Angebot ausschlug. Sie setzte ihr siegessicherstes Lächeln auf. „Das Baby kommt erst in acht Wochen zur Welt. Außerdem könnte ich eine Ablenkung wirklich gut gebrauchen.“
„Nun, schön“, willigte Kyle widerstrebend ein. Piper musste über seinen gequälten Gesichtsausdruck beinahe laut lachen.
Spencer klopfte seinem Freund auf den Rücken. „Ich überlasse die Klärung der Details euch beiden. Ich muss zurück zu den Ställen. Bis nächste Woche“, fügte er noch hinzu, bevor er sich zum Gehen wandte.
„Wann soll ich also anfangen?“, fragte Piper freundlich. Kyles angespannte Gesichtszüge verrieten ihr, dass er von der Entwicklung der Dinge nicht gerade erfreut war.
„Wird dein Mann nichts dagegen haben, wenn du arbeitest, zumal die Schwangerschaft in einem weit fortgeschrittenen Stadium zu sein scheint?“
Piper musste nach Luft schnappen. Sie hatte ihn in die Enge getrieben und hatte eine Retourkutsche verdient. Doch sein Seitenhieb erfüllte sie mit unerwartet großer Traurigkeit.
„Es gibt keinen Ehemann. Denn der Vater des Kindes ist tot“, sagte sie mit brüchiger Stimme, die ihre Traurigkeit verriet.
„Das tut mir leid“, sagte er in augenblicklicher Zerknirschung.
„Also, wann soll ich anfangen?“, hakte sie ein zweites Mal nach.
„Die Klinik ist wochentags von neun bis zwölf geöffnet.“ Kyle sah nachdenklich zu Boden.
„Schön. Dann komme ich morgen um acht Uhr dreißig vorbei.“ Piper wandte sich um und stieg die Stufen zur Veranda hoch.
Um acht Uhr fünfzehn parkte Piper vor dem zweistöckigen Gebäude, in dem sich die Tierklinik befand.
Sie blieb noch einen Moment in dem Kombi sitzen, den ihr ihr Bruder für die Fahrt in die Stadt geliehen hatte. Sie musste daran denken, wie sie als zwölf Jahre altes Mädchen eine verletzte Katze auf der Landstraße gefunden und durch ganz Kincade hindurch bis zum Tierarzt zwei Blöcke westlich der Main Street getragen hatte.
Obwohl die Klinik geschlossen gewesen war, hatte Henry Bishop auf ihr wildes Klopfen die Tür geöffnet und das blutende Tier sofort behandelt. Er hatte ihre schnelle Aktion gelobt. Piper war in Tränen ausgebrochen, und er hatte sie getröstet, so gut er konnte. Dann hatte er ihre Eltern angerufen, um sie telefonisch über den Grund ihres Ausbleibens zu informieren.
Piper konnte sich Kyle Masters nur schlecht als Arzt und Tröster vorstellen. Wahrscheinlich lag es daran, dass er in der Nacht, als sie sich vor ihm mit einem vergeblichen Verführungsversuch blamiert hatte, weder nett noch verständnisvoll gewesen war.
Piper verdrängte die unangenehme Erinnerung. Wieso sie dem Mann jetzt half, der sie vor Jahren gedemütigt hatte, war ihr ein Rätsel. Vielleicht um sich selbst zu beweisen, dass er keine Macht mehr über sie hatte.
Seufzend stieg sie aus und ging zur Klinik. Ein Dobermann-Pinscher und ein Jack Russell Terrier kamen mit wedelnden Schwänzen auf sie zugelaufen.
Dem Jack Russell Terrier fehlte ein Hinterbein. Dennoch war er erstaunlicherweise zuerst bei ihr.
Sie lächelte. „Hallo ihr beiden.“
„Mutt! Jeff! Hierher!“ Kyle rief die beiden Hunde zurück. Sein tiefschwarzes Haar glänzte in der Morgensonne. Es war noch nass vom Duschen. Kyle trug einen weißen Ärztekittel
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