Julia Extra Band 0193
verstehe.“
„Sie hatte wohl immer noch nicht ganz den Gedanken an eine Schauspielkarriere aufgeben können und ist wenige Tage nach Aprils Geburt mit fliegenden Fahnen nach New York zurück geflüchtet, ohne Kyle vorher darüber zu informieren. Er hatte auf einen Schlag eine kleine Tochter und dafür keine Frau mehr.“
„Das muss für Kyle eine harte Zeit gewesen sein“, bemerkte Piper nachdenklich.
„Er ist kein Mann, der jammert“, sagte Spencer. „Aber es muss für ihn ziemlich hart gewesen sein, neben der anstrengenden Arbeit in der Tierklinik seine neugeborene Tochter allein aufzuziehen.“
„Andere bringen auch Familie und Karriere unter einen Hut“, sagte Piper. Sie sträubte sich auf seltsame Weise dagegen, mit Kyle Mitleid zu empfinden, der sie damals so schnöde abgewiesen hatte.
„Das ist wohl wahr. Vorhin hat er mir nun davon erzählt, dass er keine neue Sprechstundenhilfe finden kann. Die vorige hat ihm vor einem Monat gekündigt, und auf seine Annoncen in der Zeitung hat bisher niemand geantwortet. Es scheint fast ein aussichtsloses Unterfangen zu sein. Er hat es wirklich nicht leicht.“
Sie waren inzwischen an der Treppe angelangt, die zur breiten Veranda hochführte. Das zweistöckige Ranchhaus war ganz von dieser Veranda umschlossen.
„Doch genug zum Thema Kyle. Ich mache mir zurzeit allerdings eher um dich Sorgen“, leitete Spencer entschieden einen Themenwechsel ein. „Du bist seit einer Woche hier und hast noch so gut wie kein Wort von dir erzählt“, neckte er sie freundlich. „Ich weiß, dass wir im Juni wegen der Hochzeit kaum Zeit zum Sprechen gefunden hatten. Damals musst du doch bereits schwanger gewesen sein. Wieso hast du uns nichts davon gesagt?“
Piper lächelte. „Weil es der große Tag von Maura und dir war, du Dummkopf. Ich wollte dir nicht die Schau stehlen“, neckte sie ihn im Gegenzug.
Außerdem waren ihr damals viele Dinge im Kopf herumgegangen. Zum einen hatte sie vor der Abfahrt aus London die Beziehung mit Wesley Adam Hunter beendet, der der Vater ihres Kindes war.
Zum anderen war sie über das bunte Treiben auf der Hochzeit froh gewesen, das sie von ihren dunklen Gedanken abgelenkt hatte. Vor kaum drei Monaten hatte man ihr die Schwangerschaft noch nicht angesehen. Sie hatte ohnehin nicht darüber sprechen wollen, weil sie zuerst mit sich selbst ins Reine kommen wollte.
Als ihr der Arzt vor einigen Monaten mitgeteilt hatte, ihre ständige Übelkeit hinge keineswegs mit einer Grippe zusammen, sondern sei ein Zeichen dafür, dass sie bald Mutter werden würde, hatte sie zunächst einen Riesenschreck bekommen.
Als Nesthäkchen hatte sie nur wenig Kontakt zu kleinen Kindern gehabt. Sie hatte nie Babys betreut. Ihre Karriere hatte bei ihr immer an erster Stelle gestanden. Deshalb war sie für ihr Alter beruflich schon so weit gekommen. In den letzten Jahren hatten mehrere ihrer Freundinnen dagegen geheiratet und Kinder bekommen.
Sie selbst empfand die in Kürze bevorstehende Geburt als regelrecht bedrohlich. Sie hatte über diese Angst jedoch noch mit niemandem gesprochen.
Sie wusste selbstverständlich, dass eine Geburt etwas Natürliches war. Trotzdem konnte sich Piper an den Gedanken nicht gewöhnen, ein Kind zu gebären. Die Panik überkam sie, sobald sie daran dachte. Sie hatte Angst vor den Schmerzen und Angst davor, dass etwas schiefgehen würde. Vielleicht würde sie es nicht richtig machen und das Kind dabei verletzen.
Sie hatte versucht, sich klarzumachen, wie lächerlich ihre Angst war. Doch es war vergeblich. Sie konnte die tief in ihr verwurzelte Angst nicht überwinden.
„Was ist mit Wes? Er muss außer sich vor Freude sein.“ Die Bemerkung ihres Bruders holte Piper in die Gegenwart zurück. „Er wird bald nachkommen, nicht wahr? Oder ist er wieder auf einem seiner gefährlichen Ausflüge? Hoffentlich hast du ihm gesagt, dass du Mauras Brautstrauß gefangen hast und deshalb als Nächste heiraten wirst.“
Piper schluckte schwer. Ihre Emotionen drohten sie zu ersticken. „Es gibt keine Hochzeit“, sagte sie. „Wes ist tot. Er ist bei einem Autounfall in Asien ums Leben gekommen, während ich auf eurer Hochzeit war. Ich habe erst davon erfahren, als ich nach London zurückgekehrt war.“
Spencer sah sie schockiert an. „Piper, mein Gott! Das tut mir so leid.“ Er nahm seine kleine Schwester fest in die Arme und drückte sie mehrere Sekunden lang an sich. Dann trat er einen Schritt zurück, um sie nochmals aufmerksam
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