Julia Extra Band 0193
jetzt war er noch nicht ganz über den Berg.
Kyle war stolz auf das, was er erreicht hatte. Er war ein Arbeiter, ein ganz bodenständiger Kerl und damit ganz anders als Wesley Hunter, dessen Baby Piper trug.
Er konnte verstehen, dass sie ihn nur heiratete, um das Kind zu schützen. Aber er fragte sich doch, wie lange sie überhaupt bei ihm und April bleiben würde. Irgendwann würde sie sich zurück nach England sehnen, um ihre Karriere fortzusetzen.
Sie funkelte wie der Diamant, den sie im Namen trug. Er war aus ganz anderem Material. So wie Jeansstoff und Diamanten unvereinbar waren, passten auch sie nicht zusammen.
Er wusste nicht, wieso er überhaupt hierhergekommen war. Aber es war noch nicht zu spät, um das Ganze abzubrechen. Doch als Piper ihm in die Augen sah und am Arm ihres Vaters auf ihn zukam, durchdrang ihn ein ebenso unerwartetes wie übermächtiges Gefühl.
Er holte tief Luft und schüttelte seine Zweifel ab. Im Stillen schwor er sich, alles in seiner Macht Stehende für Piper und das Baby zu tun, solange sie ihn brauchen sollte.
„Kyle sieht aus, als ob er langsam die Krawatte und den oberen Hemdknopf öffnen möchte“, sagte Vera zu Piper, als sie an ihrer Teetasse im Wohnzimmer nippte. Das kleine, gemütliche Abendessen, für das Pipers Eltern gesorgt hatten, war köstlich gewesen. Fast alle wurden im Wohnzimmer nach und nach etwas gelöster.
Piper lächelte. „Du hast recht.“ Sie sah Kyle zu, der mit dem Finger an seinem Kragenrand entlangfuhr, als er zu ihren Brüdern etwas sagte. Obwohl es ihm unbequem zu sein schien, sah er in dem Smoking umwerfend aus.
„Ich schaue mal nach Frank. Es wird Zeit, dass ich ihn nach Hause bringe. Er ist erst seit ein paar Tagen aus dem Krankenhaus. Ich möchte nicht, dass er sich zu sehr verausgabt.“ Vera erhob sich aus dem Sessel und stellte Tasse und Teller auf dem niedrigen Tisch ab.
Piper lehnte sich zurück und schloss die Augen. Sie drehte den neuen goldenen Ring an ihrer linken Hand. Reverend Cooper hatte Kyle während der Zeremonie nach dem Ring gefragt.
Erst dann war ihr eingefallen, dass sie den Ring vollkommen vergessen hatte. Zu ihrem Erstaunen hatte Kyle in seine Jacketttasche gegriffen und einen schlichten Goldreif hervorgezogen.
Als er den Ring auf ihren Finger streifte, hatte sie Kyle in die Augen gesehen. Ihr Herz hatte bis zum Hals geschlagen, als sie in der Tiefe seiner grauen Augen seine Emotion aufblitzen sah.
In Anbetracht dessen, dass ihre Ehe eine geschäftliche Abmachung war und nicht, wie die Gäste glaubten, ein freudiges Ereignis, war sie tief gerührt, dass er an den Ring gedacht hatte.
Der kurze, süße Kuss, den er ihr zum Abschluss der Zeremonie gegeben hatte, hätte von ihr aus ewig dauern können.
„Du siehst müde aus.“
Piper öffnete die Augen. Kate, die Frau ihres Bruders Marsh, hatte sich auf den frei gewordenen Platz neben sie gesetzt.
„Ich bin ein wenig müde“, gab Piper zu.
„Soll ich dir etwas bringen? Ein Glas Wasser oder Saft?“, fragte Kate.
„Nein, danke, Kate“, sagte Piper. „Wohin sind Mutter und Maura verschwunden?“
„Sie sind wahrscheinlich in der Küche“, erwiderte Kate.
„Und wo sind die Mädchen?“ Sie hatte April und Sabrina, Kates Stieftochter, seit dem Kuchenanschneiden nicht mehr gesehen.
„Sie sind wohl oben im Spielzimmer, nehme ich an.“ Piper und Kate waren seit der Schulzeit befreundet gewesen. Damals hatte sich Kate in Pipers Bruder Marsh verliebt. Sie hatten sich aber erst zehn Jahre später wieder getroffen.
Kate hatte als Krankenschwester im Krankenhaus gearbeitet, als Marsh nach Kincade zurückgekehrt war, um als neuer Personalchef im Krankenhaus zu arbeiten. Marsh war durch einen Arbeitsunfall längere Zeit so gut wie blind gewesen und hatte Kate gebeten, nach ihm und Sabrina zu sehen. Sie hatten noch alte Konflikte zu lösen, doch zu Pipers Freude hatte die Liebe über alle Schwierigkeiten gesiegt.
Nach der Hochzeit hatten sie ein Haus in der Nähe des Krankenhauses gebaut, in dem auch Sabrinas acht Monate alter Bruder Cole geboren worden war.
„Die Mädchen verstehen sich wirklich gut“, sagte Kate.
„Es ist sehr nett von dir, dass du auf April aufpasst, während wir für ein paar Tage in New York sind“, sagte Piper.
„Das ist doch das Mindeste, was Marsh und ich tun können, Sweetheart“, versetzte Kate, als sich die drei Männer zu ihnen setzten. „Außerdem sind die Flitterwochen sehr wichtig“, neckte sie. „Aber wieso habt
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