Julia Extra Band 0198
ihn und seine Beweggründe. “Warum haben Sie mir das nicht von Anfang an gesagt? Warum haben Sie es mir nicht erklärt?”
Ryan stieß leise die Luft aus. “Und was hätte ich sagen sollen? ‘Julia, darf ich mich hinter Ihrem Rockzipfel verstecken’?”
“Warum nicht? Das war doch genau das, was Sie getan haben”, meinte sie bissig, entschuldigte sich aber gleich darauf. “Tut mir leid, das war gemein.”
“Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen.” Er seufzte schwer. “Für die Wahrheit entschuldigt man sich nicht. Aber ich stand mit dem Rücken zur Wand, und ich wusste nicht, was ich tun sollte.”
Sein zerknirschtes Gesicht und die ehrliche Reue in seinen Worten rührten sie. Wie gern hätte sie eine Hand ausgestreckt und tröstend auf seinen Arm gelegt. Er würde die Geste nicht missverstehen, schließlich hatten sie ja beide gerade ihr Desinteresse an einem Flirt klargestellt.
Trotzdem tat sie es nicht, ihre Verärgerung und Verwirrung über das, was er ihr heute angetan hatte, waren noch zu frisch. Und über seine Worte erst recht.
“Tja, da haben wir diese Verabredung ja ganz schön verpatzt, was?”, sagte sie schließlich mit einem schiefen Lächeln.
Er grinste ebenso schief zurück, auch wenn es ihn Anstrengung kostete. “Ich übernehme die volle Verantwortung.”
Julia zögerte nur kurz. “Davon war ich auch ausgegangen.”
Seine verletzte Miene brachte sie dann doch zum Lachen, und Ryan fiel in ihr Lachen ein.
“Wissen Sie, im Grunde genommen habe ich mich eigentlich recht gut amüsiert. Vielen Dank, Ryan, für einen netten Abend.” Sie streckte ihm die Hand zum Abschied hin.
“Ich begleite Sie noch bis zur Haustür.”
“Das ist wirklich nicht nötig …”
“Doch, natürlich. Was soll denn meine Mutter davon halten, wie sie mich erzogen hat?”, meinte er gut gelaunt.
Sie lachte. “Na schön. Wir wollen schließlich nicht, dass Ihre Mutter sich Vorwürfe macht, oder?”
Sie gingen einträchtig nebeneinander her, und obwohl sie einander nicht berührten, spürte Julia seine Nähe doch sehr deutlich. In die verschiedenen Düfte der lauen Sommernacht mischte sich das Aroma seines herben Rasierwassers und stieg ihr in der Nase. Sie gingen die wenigen Stufen zur Haustür empor und standen nun auf der breiten Veranda.
“Da sind wir also. Ihre Mutter kann stolz auf Sie sein.”
Beide lächelten. Hinter Ryans Rücken bewegte sich die Wohnzimmergardine leicht am Fenster, und plötzliche Panik erfasste Julia. Kelly war also noch wach.
“Ich weiß, es hört sich seltsam an”, zischte sie hastig, “aber könnten Sie mir einen Gutenachtkuss geben?” Als er nur die Stirn runzelte, fuhr sie schnell fort: “Ich erkläre es Ihnen später, wirklich. Aber küssen Sie mich jetzt bitte schnell.”
Sie schmeckte nach Feuer und Eis. Wunderbar, abenteuerlich, köstlich aufregend. Und diese Erfahrung überwältigte, überrumpelte ihn. Dabei hatte er seit einer Woche daran gedacht, wie es wohl sein würde, diese Frau zu küssen – seit dem Augenblick, als er sie zum ersten Mal getroffen hatte. Sicher würde er das niemandem gegenüber zugeben, aber zu sich selbst konnte er zumindest ehrlich sein.
Dabei schmeckte sie ganz anders, als er es sich ausgemalt hatte. Er hatte gedacht, sie würde sanft, süß sein wie ein warmer Sommerregen vielleicht wie milder Rosenduft. Aber nein, das genaue Gegenteil davon – feurig, stürmisch, mitreißend. Und gewaltig genug, um einen Mann aus dem Gleichgewicht zu bringen, wenn er nicht aufpasste.
Er legte die Arme um ihre schlanke Statur, zog sie enger an sich heran, ließ seine Hand ihren Rücken hinaufgleiten und …
Und dann war es zu Ende.
Sie löste sich von ihm, legte ihr Kinn an seine Schulter und umarmte ihn freundschaftlich.
Diese Julia Jones war eine sehr komplizierte Frau. Sie war freundlich, umgänglich und charmant, wenn sie sich in Gesellschaft befand, Ryan hatte es heute Abend beobachten können. Sie war mitfühlend und warm, so wie sie ihn heute Abend immer wieder versucht hatte zu ermutigen und zu beruhigen. Aber Julia Jones war auch sehr offen und ehrlich, was ihre Gefühle anbelangte, und sie konnte rasend vor Wut werden, auch das hatte er heute erlebt. Und wenn sie diesen kleinen Schmollmund zog, so wie jetzt, gefiel sie ihm am besten.
“Perfekt”, flüsterte sie ihm jetzt ins Ohr. “Einfach perfekt.”
Perfekt? Also, wenn sie das für einen perfekten Kuss hielt, dann würde er ihr liebend gern zeigen, dass es noch viel
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