Julia Extra Band 0198
einfach nicht mehr daran. Das alles ist Vergangenheit, und die Vergangenheit kann man nicht ändern.
Julia atmete tief durch, richtete sich auf und reckte die Schultern. Sie hatte diese kleine Schwäche überwunden, sie war wieder gefasst genug, um zu Kelly und Ryan zurückzugehen.
Auch wenn diese ungebetenen Erinnerungen sie überfallen hatten, der Abend war ein Erfolg, nur das zählte. Seit ihrer “Verabredung” mit Ryan war Kelly viel aufgeschlossener und freier ihr gegenüber, und wenn sie ihre Mutter anlächelte, war es ein echtes, offenes Lächeln.
Sie wollte bestimmt nicht lauschen, aber als sie beim Esszimmer ankam, hörte sie Ryans leise Stimme.
“Wenn du möchtest, kann ich es ja mal versuchen. Ich könnte mit ihr darüber reden.”
“Oh, wirklich? Das würden Sie für mich tun?”
Bei dem flehenden Ton ihrer Tochter runzelte sie die Stirn. “Worüber willst du mit mir reden?”, fragte sie, während sie ins Zimmer trat.
Zwei Gestalten drehten sich so erschreckt zu ihr herum, als hätte man die beiden gerade auf frischer Tat bei einem bösen Streich ertappt.
7. KAPITEL
Kelly zog den Kopf ein und zählte angelegentlich die Eiswürfel in ihrem Glas. Ryan sah unbeweglich zu Julia und schien bedachtsam zu überlegen, welche Worte er als Nächstes sagen sollte.
Julia blieben also zwei Möglichkeiten: Sie konnte sich auf Ryan konzentrieren – schließlich starrte der sie ja schon an – und ihre Tochter in Ruhe lassen –, was deren sehnlichster Wunsch im Moment sein musste, so, wie sie die Schultern einzog. Oder aber sie konnte sich an Kelly richten und damit jeden der hier Anwesenden an der Diskussion beteiligen.
Denn dass es eine Diskussion, und wahrscheinlich eine heftige, werden würde, daran zweifelte Julia keine Sekunde. Aber Kelly musste lernen, für sich selbst einzustehen.
Sie ließ sich wieder auf ihrem Stuhl nieder. “Kelly”, begann sie ruhig, “bisher haben wir immer über alles reden können. Wenn du mir etwas sagen möchtest, brauchst du Ryan nicht als Boten.”
Keine Reaktion.
“Komm schon, Kelly, sag mir, was du auf dem Herzen hast.”
Ohne den Kopf zu heben, murmelte Kelly: “Mit dir kann ich nicht reden.”
“Oh, jetzt übertreibe aber nicht. Natürlich kannst du mit mir reden. Was ist los?”
Schweigen.
“Kelly, sieh mich an!”
Als Kelly jetzt endlich den Blick hob, lag so viel Trotz in ihren Augen, dass Julia ihre harsche Anordnung bereute. Sie blickte zu Ryan hinüber und fragte sich, was er wohl denken musste.
Wenn man mit einem Teenager in einem Haus lebte, war man daran gewöhnt, dass von einem Augenblick auf den anderen dunkle Sturmwolken am häuslichen Himmel aufziehen konnten. Fröhliches Gekicher konnte in bittere Vorwürfe umschlagen, ein Lachen konnte sich innerhalb von Sekunden in heiße Tränen verwandeln. Ryan hatte allerdings keine Erfahrung in dieser Hinsicht. Der plötzliche Stimmungsumschwung musste ihn zumindest verwirren, gelinde gesagt. Am liebsten hätte sie ihn beruhigt, dass solche Schwankungen normal bei Teenagern waren, aber in Kellys Gegenwart hätte sich das herablassend und überheblich angehört. Und vielleicht war jetzt auch nicht der richtige Moment, um Kelly zur Rede zu stellen. Vielleicht sollte sie damit warten, bis sie und Kelly allein waren. Aber schließlich war sie ja diejenige gewesen, die Ryan da mit hineingezogen hatte.
“Sieh mal, Kelly”, setzte sie an, “ich weiß nicht, worum es hier geht oder was du mit mir bereden willst, aber es gefällt mir nicht, dass ich nur kurz mal den Raum verlasse und du mich in der Zeit bei Ryan anschwärzt, als sei ich eine engstirnige Person. Ich weiß nicht, was du zu Ryan gesagt hast, aber …”
“Julia”, mischte Ryan sich ein, “Kelly hat nichts dergleichen getan.”
Julia ignorierte seinen Einwand. “… aber bin ich nicht immer für dich da? Habe ich dir nicht immer zugehört? Und haben wir unsere Meinungsverschiedenheiten nicht immer aus der Welt schaffen können?” Sie zögerte, als Kelly nichts sagte. “Na schön, dann werde ich diese Fragen beantworten. Und zwar alle drei mit Ja.”
Julia merkte, wie der Ärger ihr wie ein dicker Kloß im Hals saß. Als Ryan seine Hand ausstreckte und seine Finger auf ihre legte, fühlten sie sich kühl an auf ihrer heißen Haut.
“Warum lässt du Kelly nicht etwas sagen?”
Seine Frage schürte nur noch ihre Wut. Was sollte das hier werden? Hatten die beiden sich zusammengetan, um sie gemeinsam zu bearbeiten? “Habe ich
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