Julia Extra Band 0198
McClosky”, versuchte Hunter zu erklären, wurde jedoch ein zweites Mal von der alten Dame unterbrochen.
„Nein. Die Sache ist, Mr Wyman, dass Ihr Handeln beschämend und unverantwortlich ist. Schlimmer noch, Sie haben keine Hemmungen, Tyler Ihrer unmoralischen Einstellung auszusetzen. Frei heraus, ich werde es ganz einfach nicht tolerieren.”
Es raubte Hunter buchstäblich die Sprache, dass sich die Direktorin einer Grundschule, noch dazu die größte Klatschbase der ganzen Gemeinde, eine solch anmaßende Beurteilung herausnahm. Aber er musste auch nicht sprechen, weil Abby ihm nämlich zuvorkam.
„Sie tolerieren
was
nicht?”, platzte sie heraus und sprang von ihrem Stuhl auf. „Sie tolerieren nicht die Tatsache, dass ich daran glaube, mein Sohn hat ein Recht darauf, seinen Vater zu kennen? Oder dass ich die einzige Pension in der Stadt leite und Mr Wyman ein zahlender Gast bei uns ist? An dem Tage, an dem es beschämend und unverantwortlich ist, für meinen Sohn und mich das Essen auf den Tisch zu bringen, werde ich ganz bestimmt nirgendwo mehr arbeiten. Und bis dahin, Mrs McClosky, sollten Sie lieber alle Fakten kennen, bevor sie irgendwelche Anschuldigungen formulieren.”
Wutentbrannt ging Abby zur Tür, drehte sich dann doch noch einmal zu der geschockten Direktorin um. „Wenn Sie Tyler ein wenig genauer zugehört hätten, wäre Ihnen klar geworden, dass Mr Wyman und ich keine intime Beziehung zueinander haben. Das ist der Grund, warum wir nicht heiraten.”
Damit drehte sie sich auf dem Absatz um, rauschte hinaus und warf die Tür hinter sich ins Schloss. Die Glasscheibe in der Tür zitterte gefährlich. Hunter zuckte zusammen und verkniff sich ein Lachen, als er die roten Flecken auf Mrs McCloskys Gesicht bemerkte.
„Nun, es gibt wohl eine Seite an unserer Abby, die wir nicht oft zu sehen bekommen. Richtig, Mrs McClosky?”
„Sie hätte nicht so schreien müssen.”
„Nur für das Protokoll, damit Sie wenigstens zwei offizielle Stellungnahmen zum Thema erhalten. Ich bin Tylers Vater, aber ich wohne nur als Gast in der Pension. Mehr ist da nicht, und ich glaube, Abby hat recht. Anstatt Gerüchte zu verbreiten, sollten Sie sich lieber der Wahrheitsfindung widmen.”
„Da ich die Wahrheit erst jetzt kenne, werde ich wohl unweigerlich auch nur mit der Wahrheit umgehen”, entgegnete Mrs McClosky spitz.
Unverblümt grinste Hunter sie an. „Sie brauchen mich nicht hinauszubegleiten. Ich finde den Weg allein”, sagte er und verließ das Büro in aller Ruhe. Erst auf der Straße gestattete er sich ein lautes Lachen.
Anstatt zur Baustelle zurückzufahren, machte er sich auf den Weg zur Pension. Eilig rannte er die Stufen zur Hintertür hinauf und betrat die Küche, wo er Abby überschwänglich um die Taille packte und herumwirbelte.
„Du warst so lustig.”
Energisch drückte sie gegen seine Schultern. „Lass mich runter!”
„Du hättest das Gesicht der alten McClosky sehen sollen.”
Zuerst zuckten nur ihre Mundwinkel, aber dann brach Abby schließlich selbst in Gelächter aus. „Das war gut, oder?”
„Einmalig.”
„Ich war so wütend.”
„Hat dir schon einmal jemand gesagt, wie hübsch du bist, wenn du dich aufregst?”
Du
hast es mir gesagt, antwortete sie im Stillen. Unzählige Male. Und heute klingst du genauso wie vor all den Jahren.
„Wenn ich ehrlich bin, ja”, gab sie schließlich zu und machte sich von ihm los.
Obwohl sie Hunter seit seiner Rückkehr schon einige Male glücklich gesehen hatte, schien er ihr erst heute wirklich entspannt und natürlich zu sein. Und gerade deshalb konnte sie es nicht in seinen Armen aushalten. Die Erinnerungen erstickten sie.
Wie selbstverständlich legte er seine Hände um ihre Taille und sah ihr in die Augen. „Ich habe das zu dir gesagt, oder?”
Überwältigt von den Ereignissen und Gefühlen dieses Tages nickte Abby nur stumm.
„Früher bist du auch viel öfter aus der Haut gefahren”, fügte er sanft hinzu. „Schon merkwürdig, dass wir beide so ruhig und kontrolliert geworden sind, was?”
Ohne weiter zu überlegen, küsste er sie, aber lange nicht so leidenschaftlich wie ein paar Wochen zuvor. Vorsichtig zog er sich wieder zurück.
„Wir haben uns nicht nur gegenseitig versprochen, unsere Beziehung platonisch zu halten”, flüsterte er. „Wir haben auch eine Grundschuldirektorin, die uns möglicherweise ausspionieren wird, nachdem du sie in ihrem Büro angeschrien hast. Immerhin wohnt sie hier fast gegenüber.
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