Julia Extra Band 0198
seine Unterlagen durchzusehen. Wenigstens versuchte er, sich auf seine Papiere zu konzentrieren, doch sein Blick und seine Gedanken wanderte immer wieder zu Tyler.
Es gefiel ihm außerordentlich gut, Vater zu sein, und er war unbeschreiblich stolz auf seinen Sohn. Abby hatte bei der Erziehung fantastische Arbeit geleistet. Er war so intelligent und höflich, so lebhaft und verschmitzt, doch dabei auch nachdenklich und fürsorglich. Ein Vater konnte sich keinen besseren Sohn wünschen, und Hunter hatte seinen ohne größere eigene Anstrengung bekommen. Dafür empfand er Abby gegenüber tiefe Dankbarkeit, und das wurde ihm an diesem Tag besonders bewusst. Er konnte ihr niemals etwas für das zurückgeben, was sie geleistet hatte. Und dabei wollte sie mit wahrer Liebe entschädigt werden, die er ihr leider nicht bieten konnte.
Als Grant sich schließlich erhob, sah Hunter etwas hilflos auf seine wenigen Notizen hinunter, während sein Partner ihm sechs ausgedruckte Seiten voller Berechnungen vorlegte.
„Das kannst du am Montag wiedergutmachen”, bemerkte Grant und schloss draußen die Containertür hinter ihnen ab. Dann verabschiedete er sich.
Hunter wandte sich an seinen Sohn. „Wir haben noch ein paar Stunden Zeit, bevor deine Mom uns zurückerwartet. Was würdest du gern machen?”
Mit weit aufgerissenen Augen sah Tyler zu ihm auf. „Können wir was machen, was ich will?”
„Natürlich, sag einfach, was du möchtest!”
„Ich will meiner Mom ein Geburtstagsgeschenk kaufen.”
Bis zu Abbys Geburtstag waren es noch zwei Tage. Hunter hätte es möglicherweise vergessen, wenn er nicht diesen Tipp bekommen hätte. Im Stillen dankte er Abby ein weiteres Mal dafür, dass sie ihren gemeinsamen Sohn so gut erzogen hatte.
„Du hast vollkommen recht”, stimmte Hunter zu. Sie fuhren zu dem kleinen Einkaufszentrum in der Nachbarstadt, für das Grant und er gerade das Konkurrenzzentrum bauten. Dort zerrte Tyler seinen Vater zielstrebig in eine Boutique.
„Hier”, verkündete er stolz und zeigte auf ein Kleid, das von einer Schaufensterpuppe getragen wurde. Es war rot, voluminös und sah ganz und gar nicht nach etwas aus, das Abby anziehen würde.
„Das ist hübsch”, räumte Hunter ein, denn er wollte seinen Sohn nicht verunsichern. „Aber was hältst du davon, wenn wir reingehen und mal schauen, ob wir nicht etwas finden, das sie zum Beispiel auch zur Kirche anziehen kann.”
„Sie könnte das da doch zur Kirche anziehen”, beharrte Tyler und zeigte wieder auf das knallrote Kleid im Schaufenster.
„Könnte sie”, stimmte Hunter zu und führte den Kleinen in den Laden. „Doch ich glaube, dieses hier würde ihr noch besser gefallen.” Entschlossen griff er nach einem schlichten blauweißen Kleid in halber Länge.
„Das ist auch gut”, gab Tyler etwas widerstrebend zu. „Aber das hier auch.” Stolz zerrte er an einem pinken Stück Stoff, das nur eine Spur weniger aufdringlich als das rote Kleid war. Aber da es in der Tat weniger aufdringlich war und Hunter wusste, dass Tyler mit aussuchen wollte, kaufte er das Kleid einfach dazu.
Nach endlosen Diskussionen mit der Verkäuferin hatten sie schließlich gemeinsam ziemlich genau Abbys Größe erraten und ihren Einkauf etwas erweitert. Zu den zwei Kleidern kamen noch drei Oberteile, zwei Pullover, zwei Röcke, vier Hosen und einige Accessoires wie Haarspangen oder Taschen. Tyler schien äußerst zufrieden zu sein, und Hunter war sich durchaus dessen bewusst, dass Abby sich gegen ein so großzügiges, extravagantes Geschenk wehren würde. Aber hier waren zwei Faktoren am Werk gewesen. Erstens wollte er seinem Sohn nicht die Chance abschlagen, seine Mutter zu beschenken, und zweitens konnte Hunter sie auf diese Weise etwas verwöhnen, um sie ein wenig für die Opfer zu entschädigen, die sie zugunsten von Tylers Erziehung im Laufe der Jahre gebracht hatte.
Äußerst zufrieden mit sich und den Geschenken überlegte er weiter, wie er sie an ihrem Geburtstag noch überraschen konnte. Er dachte über eine kleine Party oder wenigstens einen Kuchen aus der Bäckerei nach, als ihm plötzlich auffiel, wie Tyler schweigend mit verschränkten Armen neben ihm im Auto saß.
„Hey, wir haben gerade ein Vermögen für das Geburtstagsgeschenk deiner Mutter ausgegeben. Warum machst du so ein Gesicht?”
„Wir haben ihr nicht das gekauft, was sie wirklich will.”
Abrupt hielt Hunter den Wagen an. Nach zwei Stunden in einer Damenboutique konnte er sich kaum
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