Julia Extra Band 0211
Geschwister gemocht, die schon bald ihre engsten Vertrauten wurden.
4. KAPITEL
“Warum lächelst du so verträumt vor dich hin?”, unterbrach Marcus ihre Erinnerungen.
“Ich habe gerade daran gedacht, wie ich Dean und Katie das erste Mal traf.” Marcus musste damals irgendwo im Hintergrund gewesen sein. Aber sie hatte sich natürlich mehr für die Zwillinge interessiert, die dasselbe Alter wie sie hatten.
“Das erklärt alles”, meinte Marcus trocken.
Jenna erinnerte sich an einen Sommertag voll kindlichen Glücks. Sie hatten auf dem großen Rasen Fangen gespielt und waren auf einen alten Baum geklettert, der im Garten der Crossans stand. Ihre Mutter sah zum ersten Mal nach zwei Jahren wieder entspannter aus, während sie sich mit ihrer neuen Nachbarin unterhielt und den Kindern beim Plantschen im Schwimmbecken zuschaute.
Wieder unterbrach Marcus ihre Gedanken. “Einen Jugendtraum zu verlieren, bedeutet nicht das Ende der Welt.”
“Hast du dich auch daran gewöhnt?”
Als er sie fragend ansah, fügte sie hinzu: “Du hast Katie doch erzählt, dass deine Kinderliebe jemand anderen geheiratet hat.”
“Ach, das.” Er blickte sie etwas beschämt an. “Das hatte ich schon ganz vergessen.”
“Ich habe fast den Eindruck, als ob du die Geschichte nur erfunden hast.”
“Das stimmt nicht. Mit elf war ich wahnsinnig in ein Mädchen in meiner Klasse verliebt.”
“Hast du sie je geküsst?”
“Wo denkst du hin? Natürlich nicht! Ich habe sie sechs Monate lang aus der Ferne bewundert, und dann haben sich unsere Wege getrennt.”
“Wie traurig.” Jenna schaute ihn betont bekümmert an.
“Eine Tragödie”, stimmte Marcus zu. “Ganz wie Romeo und Julia.”
Sie kicherte, wobei sie sich wunderte, dass ihr das Lachen doch nicht vergangen war. Der kalte Klumpen, in den sich ihr Herz verwandelt hatte, taute ein wenig auf.
Sie berührte Marcus am Arm. “Danke.”
Er schüttelte sie ab und blickte beinahe verärgert auf. Dann jedoch nahm er ihre Hand fest in seine. “Du musst mir nicht danken”, sagte er. “Aber jetzt sollten wir uns unter die Leute mischen.”
Einige Stunden später stellte Jenna gerade einen Teller mit Steinaustern und Zitronenschnitzen auf den großen Esstisch, als Marcus wieder zu ihr trat.
“Sieht lecker aus”, sagte er. “Soll ich dir ein paar aufheben, ehe alle weg sind?”
“Ja, bitte.” Sie lächelte ihm zu und eilte in die Küche zurück, um Katie und Mrs Crossan zu helfen.
Als das ganze Essen auf dem Büfett aufgebaut war und sich jeder bedient hatte, tauchte Marcus wieder neben Jenna auf und reichte ihr einen großen Teller mit Meeresfrüchten und mariniertem Hühnchen.
“Ich dachte mir, dass wir teilen.” Er nahm zwei Gabeln und Servietten vom Tisch. “Suchen wir uns einen Platz draußen im Garten?”
Marcus nahm noch eine Flasche Wein und zwei Gläser mit und führte Jenna zu dem großen Puriribaum, der schon immer dort gestanden hatte. Sein Vater hatte eine runde Bank um den gewaltigen Stamm gebaut, sodass man bequem im Schatten des Laubwerks sitzen konnte. Im selben Sommer hatte Marcus den Zwillingen und Jenna geholfen, ein Baumhaus zu errichten, das sie viele Jahre lang benutzt hatten.
Jennas Mutter war mit Mrs Crossans Hilfe allmählich zu einem normalen Leben zurückgekehrt. Sie fand eine Stelle in einem Verlag, während sich die Nachbarin um ihre Tochter kümmerte.
Als Jenna dreizehn war, schlug ihre Mutter vor, umzuziehen. Doch das Mädchen brach in so heftige Tränen aus und hatte einen derart verzweifelten Wutanfall, dass das Thema nie mehr erwähnt wurde.
Jenna saß auf der alten Holzbank; zwischen ihr und Marcus stand der volle Teller. Ein kühler Windstoß brachte die Blätter zum Rascheln, und sie rieb sich die nackten Arme.
“Dir ist kalt”, bemerkte Marcus. Er zog sein Jackett aus und legte es ihr trotz ihrer Proteste um die Schultern.
“Eine Auster gefällig?” Er nahm eine und fuhr mit der Gabel hinein. “Öffne den Mund.”
Sie gehorchte, und er legte die Auster auf ihre Zunge. Für einen Moment beobachtete er Jenna, dann aß er selbst eine.
Sie bediente sich nun ebenfalls, verspeiste noch ein paar Austern, ein Stück Hühnchen und eine kleine Pastete und leerte ihr zweites Glas Weißwein.
Als auch Marcus zu Ende gegessen hatte, wischte er sich den Mund mit seiner Serviette ab und stellte dann den Teller beiseite.
Eine Motte flatterte vorbei und verschwand in der nächtlichen Dunkelheit. Als Marcus Jennas und sein
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