Julia Extra Band 0211
Während Katie die Tassen wegräumte, folgte Jenna ihm in die Diele. “Ich könnte behaupten, dass ich das Foto verloren habe”, sagte sie leise. “Wenn du nicht willst, dass Callie es sieht.”
“Das macht mir nichts aus. Ich war nur überrascht, dass du es so lange aufgehoben hast.”
Als sie nicht antwortete, lachte er. “Ach, natürlich! Dean ist auch darauf zu sehen. Wie viele Fotos hast du eigentlich von ihm?”
“Ich habe Bilder von euch allen.” Sie schwieg für einen Moment. “Du musst doch auch welche von mir haben.”
“Habe ich auch – irgendwo.”
“Na, siehst du.”
“Was sehe ich, Jenna?”, fragte er bedeutungsvoll.
Sie schaute ihn verständnislos an. “Das war nur so eine Redensart. Es sollte nichts heißen.”
Sein Seufzen klang ungeduldig. “Ja, ich weiß. Es ist wahrscheinlich noch zu früh.”
Wofür? Jenna sprach diese Frage nicht laut aus.
“Eines Tages wirst du aus deinem Kokon herauskommen müssen”, sagte er mit unterdrückter Wut. “Und ich bin gespannt, was dann passieren wird.”
Er öffnete die Wohnungstür und verschwand.
Jenna blieb erstaunt zurück. Marcus hatte sich nicht einmal verabschiedet. Und er schien unerklärlich wütend zu sein.
Auf sie? Aber sie hatte doch nichts getan.
Nachdenklich ging sie in die Küche.
Katie stand am Spülbecken und gähnte. “Ich gehe bald schlafen”, sagte sie.
“Hm. Ich auch. Soll ich abtrocknen?”
“Nicht nötig.” Sie rieb sich fröstelnd die Hände. “Geht es dir gut, Jenna?”
Ihre Freundin schluckte ihren Ärger herunter. Diese ständigen Fragen! Aber Katie meinte es doch nur gut mit ihr. “Ich bin bloß etwas müde.”
Jenna war froh, als sie sich kurz darauf allein in ihrem Zimmer befand. Sie hatte ihr großes Schlafshirt angezogen und die hölzerne Schatulle aus dem Schrank geholt. Nun saß sie mit gekreuzten Beinen auf dem Bett und hielt das Kästchen eine Weile auf ihrem Schoß, ehe sie es öffnete.
Der Umschlag mit den Fotos befand sich ganz unten.
Da war auch schon die Aufnahme. Dean stand lachend im Wasser und spritzte um sich. Marcus hatte der Kamera unwissentlich sein Profil zugewandt. Er hatte bereits kräftige Schultern und muskulöse Beine.
Jenna betrachtete Deans Gesicht und empfand eine tiefe Zuneigung zu dem kleinen Jungen von damals.
Doch Marcus’ Anblick ließ sie von neuem erröten – wie damals, als sie die Aufnahme gemacht hatte. Sie spürte wieder eine Erregung, die sie an jenem Tag ihrer Angst, entdeckt zu werden, zugeschrieben hatte.
Das war ihr noch nie zuvor passiert, wenn sie sich gelegentlich die Fotografie angesehen hatte. Sie hatte sich stets auf Dean konzentriert.
Damals wollte sie es nicht wahrnehmen. Doch jetzt erkannte sie das Gefühl, das sie schon zu jener Zeit bei Marcus’ Anblick gespürt und auch wieder erlebt hatte, als er sie im Garten geküsst hatte. Es war Verlangen.
Während der kommenden zwei Wochen ging Jenna Marcus absichtlich aus dem Weg. Sie hoffte, auf diese Weise wieder einen klaren Kopf zu bekommen, denn die neu erwachten Gefühle in ihr empfand sie als sehr beängstigend.
Anfangs war es nicht schwierig, ihm auszuweichen. Er war der Eigenständigste unter den Geschwistern, und seine Schwester sah ihn oft über Monate hinweg nicht.
Als Katie jedoch eines Abends ankündigte, dass ihr Bruder gleich vorbeikommen wolle, gab Jenna vor, dringend ausgehen zu müssen.
Auf diese Weise sah sie ihn ganze sechzehn Tage lang nicht, bis sie an einem Nachmittag das Telefon abnahm. “Jenna?”, ertönte seine tiefe Stimme am anderen Ende der Leitung.
“Hallo”, sagte sie und fügte rasch hinzu: “Ich hole Katie.”
Nach dem Telefonat schüttelte Katie verwundert den Kopf. “Ich weiß gar nicht, warum er angerufen hat. Marcus plaudert doch sonst nie am Telefon.”
Vielleicht machte er sich Sorgen, dass sich Katie jetzt nach Deans Verlobung ein wenig ausgeschlossen vorkam. Auch Jenna hatte ihre Freundin aufmerksam beobachtet, um zu sehen, ob sie sich enttäuscht fühlte. Aber Katie schien die neue Situation überhaupt nichts auszumachen. Sie traf sich sogar allein mit Callie, wenn Dean ein Vorstellungsgespräch hatte, oder die beiden gingen gemeinsam ins Kino.
Katie hatte selbstverständlich angenommen, dass Jenna mit von der Partie sein würde. Leider war dieser auch keine passende Ausrede eingefallen, die nicht von neuem Katies Misstrauen erregt hätte. Und so fügte sie sich in ihr Schicksal und kam mit.
Als sie nach dem Kino mit der
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