Julia Extra Band 0213
mitkommen?”
Claudia schluckte. “Willst du nicht lieber allein sein?”, fragte sie vorsichtig, obwohl es sie dazu drängte, sein Angebot anzunehmen, bevor er es sich anders überlegen konnte.
“Du wolltest die Wüste unbedingt sehen. Das könnte deine letzte Chance in diesem Urlaub sein.” David war entsetzt darüber, wie wichtig es für ihn war, dass sie mitkam.
Claudia zögerte. Es war verrückt, sich noch mehr auf David einzulassen. Die Klugheit gebot, sich an Lucy zu halten und die Tatsache zu akzeptieren, dass sie den Rest ihres Lebens ohne ihn verbringen musste. Früher oder später würde sie sich damit abfinden.
David bemerkte ihr Zögern. Enttäuscht zwang er sich, fair zu bleiben. Nach dem letzten Abend war sie ihm nichts mehr schuldig. Claudia hatte den Ausschlag für die Entscheidung des Scheichs zu ihren Gunsten gegeben. Morgen bot sich für sie endlich eine Möglichkeit zu einem zweisamen Treffen mit Justin Darke.
“Ich verstehe natürlich, wenn du lieber mehr Zeit mit Justin verbringen möchtest”, sagte er tonlos.
“Nein!”, warf Claudia panisch ein. “Ich meine, es würde doch seltsam aussehen, wenn du ohne mich losfährst.”
“Ja”, meinte David erleichtert. “Also, wenn es dir nichts ausmacht …”
“Nein, überhaupt nicht.” Auch sie atmete erleichtert auf. “Ich komme gern mit.”
Claudia hatte sich von der Wüste nichts erwartet. Sie hatte sich eine ausgedehnte flache steinige Ebene vorgestellt, wie sie sich auf beiden Seiten der Straße zwischen Telema’an und der Siedlung der Ingenieure erstreckte.
Als David mit ihr losfuhr, war sie nervös und aufgeregt wie ein Schulmädchen bei ihrer ersten Verabredung. Er hatte alles eingepackt. Zwei Matratzen befanden sich zusammengerollt auf dem Rücksitz, zudem hatte er Schlafsäcke ausgeliehen und die Köche des Scheichs dazu überredet, ein Picknick vorzubereiten. Claudia musste nur noch ins Auto steigen. David hielt ihr mit einer Verbeugung die Tür auf.
Der grelle Schein der Nachmittagssonne verblasste, während sie über die Ebene fuhren. Als der Jeep anhielt, war die Luft vom goldenen Licht des Abends erfüllt. Sie hatten am Rand eines
Wadis
geparkt. Dieses Wasserbecken mit Steinen und Felsbrocken war von den blitzartig anschwellenden Wüstenfluten in den Boden hineingeschnitten worden. Sand und Wind hatten die Gesteinsblöcke im Verlauf von Jahrhunderten zu geheimnisvollen Gestalten geformt.
Claudia glaubte, am Ende der Welt zu sein. Es war ganz und gar still. Die Leere erstreckte sich um sie herum bis zum Horizont. Es gab keine Autos, keine Menschen, keine Tiere. Es gab überhaupt nichts. Nur sie und David. Die sinkende Sonne hüllte sie in überirdisch glühendes Licht. Alles wurde plötzlich ganz einfach und klar. “Diese Erfahrung war eine Reise nach Shofrar wert”, meinte sie schließlich.
David saß am anderen Ende der Matratze. Er war sorgsam auf Abstand bedacht. “Kann selbst Justin damit nicht mithalten?”, fragte er möglichst beiläufig.
Claudia sah ihm in die Augen. “Ich bin nicht an Justin interessiert, David. Ich war es nie.”
“Und was ist mit der berühmten Weissagung?”, fragte er misstrauisch. “Ich dachte, das sei der Grund für deine Reise.”
“Ich kam hierher, weil mein Leben aus den Fugen geraten war. Ich musste einen Ort der Ruhe finden”, entgegnete sie. Sie sah dem Sonnenuntergang zu. “Ich habe nie an diese dumme Prophezeiung geglaubt. Selbst mit vierzehn wusste ich schon, dass mir keine Frau in einem komischen Kostüm aus einer Kristallkugel die Zukunft lesen kann.”
“Wieso hast du es dann gesagt?”
Sie zuckte beschämt mit den Achseln. “Nur um dich zu ärgern. Es war kindisch. Aber du schienst so wenig von mir zu halten, dass ich dir den wahren Grund nicht erzählen mochte.”
“Lucy hat mir erzählt, du seiest verlobt gewesen”, meinte David ruhig.
“Mit Michael.” Claudia ließ eine Hand voll Sand durch ihre Finger rinnen. “Alles schien perfekt zu sein. Ich dachte, er wäre meine Bestimmung.” Sie lächelte gequält. “Aber er dachte anders. Eines Tages hat er mir gesagt, dass er sich in eine andere Frau verliebt hat. Er meinte, ich sei stark genug und brauche nicht wirklich jemanden.”
Der Sand rieselte langsam zu Boden. “Vielleicht brauche ich niemanden”, fuhr sie fort und schaufelte nochmals Sand in ihre Handflächen. “Aber damals kam es mir nicht so vor. Ich war fast dreißig und schien alles verloren zu haben, was mir etwas bedeutet
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