Julia Extra Band 0213
Die gemeinsam unter den Sternen verbrachte Nacht war diese Mühe wert.
David musste inzwischen wieder in London sein. Claudia sah im Telefonbuch die Nummer von GKS Ingenieurbau nach, hielt dann jedoch inne.
David bemühte sich zwanghaft, sich auf den Vorschlag zu konzentrieren, den er skizzieren sollte. Doch er konnte sich aus Müdigkeit nicht konzentrieren. Es war sein vierzigster Geburtstag, und sein Leben war ihm nie leerer vorgekommen. Claudia hätte es eine Krise genannt.
Allein der Gedanke an sie ging ihm an die Nieren. Er hatte gehofft, dass bei der Rückkehr nach London alles einfacher sein würde. Doch die Erinnerungen an Shofrar begleiteten ihn, obwohl er nur zu vergessen wünschte. Claudias hoch erhobenes Kinn, die rauchigen Augen und der aufmerksame Blick, mit dem sie ihre Ohrringe anlegte.
David arbeitete bis spät in die Nacht im Büro, um der Leere seines Lebens auszuweichen. Mit jedem Tag wurde er trübsinniger und launischer. Seine Angestellten fassten ihn bereits mit Samthandschuhen an.
David schob das Angebot beiseite und öffnete die oberste Schreibtischschublade, in dem sich der Halsschmuck befand, den der Scheich Claudia geschenkt hatte. Er ließ langsam die silbernen Kugeln durch die Finger gleiten und sah wieder das Bild vor sich, wie sich Claudia die Kette angelegt hatte. Nach ihrer Abreise war er in die Gästeunterkunft zurückgekehrt. Einzig dieser Schmuck war von ihr zurückgeblieben.
David strich in Gedanken versunken über das Zauberkästchen. So konnte es nicht weitergehen. Er musste Claudia sehen, egal wie sie reagieren würde. Bevor er es sich wieder anders überlegen konnte, wählte er eine Telefonnummer.
“Patrick? Hier spricht David.” Er räusperte sich. “Entschuldige, dass ich dich zu Hause anrufe. Claudia hat eine Kette vergessen, die ich ihr zurückgeben wollte. Ich habe leider die Adresse nicht.”
Claudia stand vor dem GKS Hauptniederlassungsgebäude und sah beeindruckt an der glitzernden Glasfassade hoch. Bislang war ihr nicht bewusst gewesen, wie mächtig David sein musste. Sie verlor fast den Mut.
Dann dachte sie daran, wie David in der besternten Wüstennacht gewesen war. Dort hatten nur sie beide gezählt. Der Mann in diesem renommierten Gebäude war derselbe, der für sie auf der schäbigen Matratze einen Tee zubereitet hatte.
Claudia hatte von einer telefonischen Ankündigung ihres Besuchs abgesehen. Vielleicht hätte er sie dann gar nicht empfangen. So würde sie ihn zumindest sehen können.
Claudia holte tief Luft und trat durch die imposante Tür hindurch in ein helles luftiges Atrium. Die glänzenden modernen Linien wurden durch Kaskaden von Pflanzen und treppenförmig angeordnete Wassergefäße gemildert, aus denen friedlich das Wasser herabfloss.
Claudia schritt zu der großen Rezeption hinüber. “Ich möchte gern mit David Stirling sprechen.”
“Haben Sie eine Verabredung?”, erwiderte die Empfangsdame freundlich.
“Nein.” Claudia erschrak. Die Sekretärin einer Firma dieser Größe würde sie als unangemeldete Besucherin abschütteln. “Es ist privat”, sagte sie verzweifelt.
“Einen Augenblick bitte.” Die Empfangsdame griff zum Telefon. Claudia starrte auf das Schild neben dem Lift, auf dem die Namen der Führungskräfte aufgeführt waren. Es dauerte einen Moment bis sie den obersten Namen registrierte. D. J. Stirling, Geschäftsführer.
Sie erinnerte sich an die Stimme der Wahrsagerin, die ihr von den bedeutenden Initialen J und D erzählt hatte. Ein leiser Schauer überlief sie.
Es konnte nur ein Zufall sein.
Inzwischen hatte sich die Empfangsdame ihr wieder zugewandt. “Leider empfängt Mr Stirling im Moment niemanden”, sagte sie bedauernd. “Er ist gerade im Aufbruch begriffen.”
Claudia sah noch einmal auf die Initialen. “Könnte ich bitte mit der Sekretärin sprechen?”, fragte sie.
Im zwölften Stock bat David seine langjährige Sekretärin eben, auch früher nach Hause zu gehen, als das Telefon erneut klingelte. Die Sekretärin nahm den Anruf entgegen. “Eine Claudia Cook ist unten am Empfang “, sagte sie zu David. “Sie möchte nicht sagen, um was es geht. Es sei aber wichtig. Möchten Sie mit ihr einen Termin abmachen?”
“Nein.” David sah durch seine Sekretärin hindurch. “Nein, sie kann hochkommen.”
Wie im Traum ging er zum Lift. Als die Aufzugtür leise aufging, traute er sich kaum zu atmen aus Furcht, sie könne nicht darin sein.
Auch Claudia hatte Herzklopfen. Sie atmete tief durch. Als
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