Julia Extra Band 0258
wie möglich im Schatten verbrachte, bräunte sich ihre Haut allmählich. Ihre weiße Haut war ihr Kapital als Model, Sonnenbräune ein echtes Ärgernis. Natürlich könnte sie den ganzen Tag im Haus verbringen, aber das hätte sie nicht ertragen.
Glücklicherweise gab es den Pool. Bahn um Bahn ziehend, verbrachte sie dort Stunden ihrer Zeit. Und sie verreiste nie ohne ihren Badeanzug. Wegen des Jobs in dem österreichischen Schloss hatte sie auch einiges an Abendgarderobe eingepackt. Nur die Kleidung für den Tag entwickelte sich zunehmend zu einem Problem. Nur weil sie ihren Gymnastikanzug täglich wusch und tagsüber die jadegrüne Seidenhose trug, kam sie einigermaßen über die Runden. Allenfalls kam noch ein wie ein Sarong um ihren Körper geschlungenes Handtuch in Frage, denn Leo war tagsüber nie in der Villa.
Vielleicht schläft er dann in einem mit Erde gefüllten Sarg, dachte sie zynisch.
Die Realität sah leider anders aus. Er verbrachte seine Tage auf dem Wasser. Segeln, surfen, tauchen – für ihn gab es offensichtlich viele Möglichkeiten, um sich zu vergnügen.
Aber was auch immer ihn auf die See hinauszog, sie war dankbar dafür. Verschaffte sein Freizeitvergnügen ihr doch kostbare Atempausen, ohne die sie wahrscheinlich schon längst zusammengebrochen wäre.
Wie viele Tage mochten vergangen sein, seit er sie auf diese Insel gebracht hatte? Sie wusste es nicht genau. Zwei Wochen? Länger? Mittlerweile war der Mond voll geworden. Schwer und leuchtend hing er am Himmel und verspottete sie, indem er sein romantisches Licht auf das Meer warf.
Andererseits schien die ganze Insel sie zu verspotten.
Denn dieser Ort hätte das Paradies auf Erden sein können. Stattdessen war es ihr Gefängnis. Ihr Folterkeller.
Hier folterte Leo Makarios sie bis aufs Äußerste mit seinen bösen Kräften.
Nacht für Nacht entzündete er ein Feuer in ihrem Körper, wenn er sie in seinen Armen hielt. Längst hatte er sie vollständigin seinen Bann gezogen, und sie stand ihm machtlos gegenüber. Hilflos den Empfindungen preisgegeben, die er in ihr auslöste.
Selbst wenn er abends in die Villa zurückkehrte, machte ihr Herz einen freudigen Sprung. Wie sehr sie auch versuchte, das Gefühl zu unterdrücken, es ließ sich nicht verdrängen. Ihre Atmung beschleunigte sich, und süße Erregung stieg in ihr auf, während Vorfreude sie durchströmte.
Manchmal führte er sie sofort in sein Bett. Ging auf sie zu, nahm ihre Hand und zog sie die Treppe hinauf. Noch während sie die Treppe hochstiegen, durchfluteten die ersten Wellen der Lust ihren Körper. Dagegen war sie machtlos. Sie wollte seinen Mund auf ihrem spüren, wollte seine Hände auf ihrem Körper fühlen, wollte, dass ihre Körper sich aneinander rieben, miteinander verschmolzen, eins wurden im Strudel des Verlangens, der sie unaufhörlich, Nacht für Nacht, mit sich riss.
Als ob sie Liebende wären.
Aber sie waren keine Liebenden. Sondern Fremde. Tag für Tag, Nacht für Nacht.
Während sie jetzt hier saß und ihre Beine eincremte, erfüllte sie eine dumpfe Schwere. Sie stand auf und sprang in den Pool.
Im Wasser sah Anna zum Himmel. Hier war sie umgeben von Menschen: den Angestellten der Villa, den Menschen, die auf der Insel lebten – von Menschen, die lebten und atmeten, Träume und Hoffnungen hatten, Freunde und Familien – und doch war sie allein.
Du warst immer allein. So ist es schon immer gewesen.
Grausam dröhnte der Gedanke in ihrem Kopf. Leider war es die Wahrheit. Nach dem Tod ihrer Mutter und der Flucht ihres unfreiwilligen Vaters hatte ihre Großmutter sie allein großgezogen. Und natürlich liebte sie ihre Enkelin innig. Aber all die Liebe ihrer Großmutter hatte nicht darüber hinwegtäuschen können, dass zwei Generationen zwischen ihnen lagen. Ihr Leben lang war ihre Granny glücklich in ihrer kleinen Welt gewesen, in der Straße mit den Reihenhäusern neben dem Gaswerk, glücklich, den Tag mit Seifenopern und Talkshows vor dem Fernseher zu verbringen. Sie hatte fürchterliche Angst, als Anna in die große Welt zog, um Model zu werden.
Ihre Großmutter hatte Annas Beruf immer gehasst. Aber Anna wollte nicht in dieser kleinen Welt leben, wollte weder im Gaswerk noch in der Keksfabrik nebenan arbeiten und konntesich die Chance, als Model zu arbeiten, nicht entgehen lassen. So oft sie konnte, hatte sie ihre Großmutter besucht. Mit den Jahren war ihre Großmutter zu gebrechlich geworden, um allein in ihrem Reihenhäuschen zu wohnen. Jetzt
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