Julia Extra Band 0258
dann viel weniger Grund dazu gehabt. Denn auch wenn das Armband achtzigtausend Euros wert sein mochte, hätte Anna es einem Hehler verkaufen und sich mit weit weniger zufrieden geben müssen.
Wohingegen sie als seine Geliebte nach einigen Wochen mit Geschenken, die viel mehr wert gewesen wären, einfach hätte gehen können.
Das wäre auch weniger riskant gewesen.
Also warum, warum hatte sie ihn aus ihrem Schlafzimmer geworfen?
Das ergab überhaupt keinen Sinn.
Er folgte ihr zum Wagen, wo sie auf ihn wartete. Kaum saßen sie im Auto, da starrte sie auch schon wieder aus dem Fenster.
Plötzlich kam ihm ein Gedanke.
Warum kämpfen wir gegeneinander?
Sofort berichtigte er sich selbst. Warum kämpft sie weiter gegen mich an? Aber es funktionierte nicht. Die erste Version nagte an ihm, während er den Wagen aus der Stadt lenkte.
Es gibt kein ‚wir‘. Es besteht noch nicht einmal die Möglichkeit von ‚wir‘.
Er trat fest auf das Gaspedal.
Vielleicht hob ein anständiges Mittagessen seine Stimmung.
Nach fünfundvierzig Minuten Fahrt durch das Landesinnere sah Anna sich neugierig um. Leo hatte den Wagen durch ein eisernes Tor auf einen Parkplatz gelenkt, auf dem viele Wagen standen.
„Wo sind wir?“
Faszinierend, dachte Leo. Sie hat eine Frage gestellt.
„Das ist ein altes Plantagenhaus, das man zu einem Restaurant umgebaut hat.“ Ganz instinktiv lehnte er sich zu ihr hinüber, um die Tür zu öffnen und ignorierte, wie sie zurückzuckte, als wolle sie jede Berührung vermeiden.
„Hier entlang“, sagte Leo, als sie draußen standen.
Stumm ging sie neben ihm und tat ihr Bestes, um ihn nicht zu beachten. Dabei war sie sich seiner Gegenwart überaus bewusst. Aber wann, dachte sie müde, war ich mir seiner Gegenwart nicht bewusst?
Warum kann ich nicht gegen ihn immun sein? Warum kann er nicht wie ein Holzklotz sein?
Sie seufzte. Es war hoffnungslos, sich solche Fragen zu stellen. Leo Makarios hatte eine Wirkung auf sie, die sich nicht leugnen ließ. Obwohl sie sich verzweifelt danach sehnte.
Wie lange kann ich das noch aushalten? Ihn zu begehren und ihn zu hassen, mich selbst zu hassen, weil ich ihn begehre, und …
Unaufhörlich wirbelten die Fragen in ihrem Kopf, quälten und schmerzten sie. Wie betäubt folgte sie dem mit Steinen gepflasterten Weg, der durch einen tropischen Garten führte. Drückend lastete die Hitze auf ihren Schultern, wodurch sie sich müde und schwer fühlte.
Erschöpft blieb sie stehen und unterdrückte ein weiteres Seufzen.
„Geht es dir gut?“
Überrascht wandte sie den Kopf. „Was?“
„Ob es dir gut geht?“, wiederholte er.
„Ja“, erwiderte sie kurz angebunden und ging weiter.
Er streckte die Hand aus und ergriff ihren Ellenbogen. Sie wollte sich losreißen, aber etwas an seinem Griff hielt sie davon ab.
„Was?“, fragte sie.
„Anna, hör mir zu.“
Seine Stimme hatte einen seltsamen Tonfall. Weil sie ihn nicht genau einschätzen konnte, sah sie Leo an. Seine Miene war bedrückt – diesen Ausdruck hatte sie noch nie bei ihm gesehen.
„Hör auf, mich zu bekämpfen.“
Trotz des Knotens in ihrer Kehle, der sie beim Sprechen hinderte, zwang sie sich zu einer Antwort. „Warum kümmert es dich, ob ich gegen dich kämpfe oder nicht? Warum kümmert dich irgendetwas, außer im Bett zu bekommen, was du willst?“
Ein Schatten huschte über seine Augen, so kurz, dass sie glaubte, es sich eingebildet zu haben.
„Weil ich müde bin, Anna. Ich bin müde, und ich bin es leid. Mein Knöchel schmerzt, und ich habe Hunger. Du bereitest mir nichts als Kummer, dabei will ich – ich will einfach nur einen entspannten Tag verbringen. Okay? Ist das so schlimm? Können wir nicht einfach eine höfliche, zivilisierte Mahlzeit zusammen einnehmen, ohne dass du mir die ganze verdammte Zeit über die kalte Schulter zeigst?“
„Warum sollte ich das tun? Du bekommst die Nächte!“
Sie sah, wie seine Kiefermuskeln sich spannten und sich dann langsam wieder lockerten.
„Ich schlage dir einen Handel vor. Du bekommst heute Abend frei, wenn du ab sofort diese Haltung aufgibst.“
„Meinst du das ernst?“
„Ja, du kannst heute Nacht in deinem eigenen Bett schlafen, wenn du dich jetzt wie eine normale Frau verhältst. Natürlich nur“, und jetzt war der spöttische Tonfall wieder da, den sie die ganze Zeit über erwartet hatte, „wenn du das willst.“
„Und ob ich das will.“
„Dann haben wir also eine Abmachung?“, drängte er.
Zur Bestätigung nickte
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