Julia Extra Band 0258
U-Bahn sehen.“
„Das ist doch absurd“, erwiderte Leo steif. „Du bist ein Model. Du …“
Feuer funkelte in ihren grünen Augen. „Richtig. Ich bin ein Model“, bestätigte sie betont langsam. „Ich führe Kleider vor. Was ich nicht vorführe, sind keine Kleider. Verstehst du den subtilen Unterschied?“
Immer noch schaute Leo sie an. Ihre aggressive Reaktion war lächerlich … absurd … unverfroren und …
Gerechtfertigt.
Er hob die Hände in einer kapitulierenden Geste.
„Ich verstehe deinen Punkt. Aber …“, fuhr er fort und sah dabei wirklich verwirrt aus, „… wenn es dir so sehr missfällt, als Model zu arbeiten, warum bist du es dann geworden?“
„Nun, wie sehr ich auch darüber stöhne, es ist immer noch besser als die Alternative, nämlich den ganzen Tag Kekse in der örtlichen Fabrik zu verpacken“, erwiderte sie und trank einen Schluck Wein. „Ich war nie besonders gut in der Schule, also konnte ich nicht auf die Universität gehen.“
„Du kommst mir aber nicht sonderlich dumm vor“, stellte Leo fest. „Warum warst du nicht gut in der Schule?“
Überrascht schaute sie ihn an. Leo Makarios sah nicht aus wie ein Mann, der Frauen auf Grund ihrer Intelligenz beurteilte. Und sie schon gar nicht. Vielleicht, dachte sie zynisch, glaubt er, ein Dieb müsste über eine gewisse Basisintelligenz verfügen.
„Ich glaube, ich kann die Frage selbst beantworten“, meinte er trocken. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass du die Autorität deiner Lehrer anerkannt hast.“
„Manche waren in Ordnung“, sagte sie. „Aber die meisten …“ Ohne den Satz zu beenden, zuckte sie mit den Schultern. „Letztlich war ich doch die Dumme. Ich hätte intelligent genug sein müssen, um das System zu durchschauen. Stattdessen …“ Wieder zuckte sie mit den Schultern. „Wie auch immer, mit achtzehn wurde ich von einem Talentscout in einer Einkaufspassage entdeckt. So habe ich angefangen.“ Sie trank noch einenSchluck Wein. „Meine Großmutter – sie hat mich aufgezogen – hat es gehasst. Aus Angst, mich an ein lasterhaftes Leben zu verlieren. Und leider hatte sie Recht. Aber glücklicherweise bin ich sehr schnell klug geworden. Und hart.“
Durch den ungewohnten Genuss von Wein und das reichhaltige Essen fühlte sie sich eigentümlich entspannt. Vielleicht konnte sie sich deshalb plötzlich mit Leo Makarios unterhalten. Es war seltsam, sogar sehr seltsam, so mit ihm zu sprechen.
„Bist du bei deinen Liebhabern auch so aggressiv?“, fragte er plötzlich.
„Ich habe keine Liebhaber.“
Anna Delane hatte keine Liebhaber? Beinahe hätte er laut gelacht. Eine so wunderschöne Frau wie sie musste einfach Liebhaber haben. Seit ihrer Pubertät mussten die Männer sie umschwärmen.
„Was meinst du damit?“
„Genau das, was ich gesagt habe. Ich habe keine Liebhaber“, wiederholte sie.
„Warum nicht?“ In seiner Stimme schwangen Unverständnis und Unglauben. „Du bist viel zu schön, um keine Liebhaber zu haben.“
„Meinst du, es ist meine Pflicht, mich auf einem Silbertablett allen anzubieten, die etwas von mir wollen?“, fragte Anna verächtlich. „Ich dachte, unsere Abmachung bezieht sich auf einen höflichen Umgang miteinander. Also hör du auch auf, mich ständig anzugreifen, in Ordnung? Können wir nicht über das Wetter sprechen?“
„Na gut“, sagte er gedehnt und lehnte sich zurück. In seinen Augen lag ein Ausdruck, den sie nicht deuten konnte. „Was möchtest du nach dem Lunch unternehmen?“
Unschlüssig hob Anna die Schultern. „Du kennst die Insel, ich nicht.“
„Möchtest du weiter einkaufen?“
Sie verzog das Gesicht. „Meine Güte, was ist denn los mit dir? Weder brauche ich etwas, noch will ich mehr kaufen. Tatsächlich würde ich gern schwimmen gehen, um mich abzukühlen. Gibt es hier in der Nähe einen Strand?“ Dann machte sie eine kleine Pause. „Aber vielleicht kannst du mit deinem Knöchel nicht ins Wasser gehen?“
„Das ist kein Problem“, erwiderte Leo leichthin, verwundert,dass sie überhaupt einen Wunsch geäußert hatte. „Und ich weiß auch schon, zu welcher Bucht wir fahren.“ Auf einmal leuchteten seine Augen auf. „Sag, kannst du surfen?“
„Surfen? In der Karibik? Das Meer ist hier flach wie ein Tümpel!“
Leo lachte. „Nicht an der Atlantikküste.“
Und er behielt Recht. Zu Annas größtem Erstaunen schlugen unablässig Wellen gegen den weißen Sandstrand, zu dem Leo mit ihr nach dem Lunch fuhr. Er parkte den Wagen
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