JULIA EXTRA BAND 0262
niemals ihren Stolz zu vergessen und sich niemals Ricardos Willen zu unterwerfen.
In den elitären Kreisen ihres Vaters hatte sie unzählige Male beobachtet, wie Ehefrauen gedemütigt wurden, weil ihre Männer ihre blutjungen Mätressen offen zur Schau stellten. Gabriella wollte lieber sterben, als eine von diesen Ehefrauen zu werden. Sie fand es unerträglich erniedrigend, dass Ricardo sich nur aus Pflichtgefühl mit ihr beschäftigte.
Unbewusst krallte sie ihre perfekt manikürten Fingernägel in ihre Handflächen. In der letzten Zeit hatte sich Ricardo ihr gegenüber wie ein perfekter Freund in der Not verhalten. Er war umgänglich und nachsichtig, wofür Gabriella ihm sehr dankbar war. Aber er hielt sie nur für ein kleines bemitleidenswertes Mädchen, das ganz allein auf der Welt war. Sie stellte nur eine Verpflichtung für ihn dar …
Es ist aussichtslos, dachte sie seufzend. Ricardo würde seine Meinung nicht ändern. Deshalb riss Gabriella sich zusammen und ging unter die Dusche. Es hatte keinen Zweck, sich gegen das Unweigerliche zu wehren. Sie würde Ricardo heiraten, da es im Augenblick nicht anders ging. Er würde schon sehen, was er davon hatte …
Auch Ricardo plagten die Zweifel. Er saß in seinem Büro, das sich im Erdgeschoss des Palasts befand, und dachte nach. Seine Berater freuten sich sehr über die bevorstehende Hochzeit. In der Vergangenheit hatten sie immer wieder versucht, Ricardo davon zu überzeugen, eine eigene Familie zu gründen. Immerhin ging es darum, um jeden Preis zu verhindern, dass Ricardos Onkel jemals Fürst werden würde.
Wegen der Ehe machte Ricardo sich keine Illusionen. Es würde bestimmt nicht einfach werden. Gabriella hatte ihm zu verstehen gegeben, dass sie sich so unkooperativ wie nur möglich verhalten würde.
Seufzend rieb er sich die Stirn. Wenn ihm sein Ehrgefühl nicht so schwer auf den Schultern liegen würde, hätte er sich von der Verantwortung fortgeschlichen, die Gonzalo ihm aufgedrängt hatte. Das Testament hatte er schon bis in die letzte Klausel überprüfen lassen – ohne Erfolg. Jetzt konnte er nur noch hoffen, dass Gabriella einigermaßen gut mitspielte. Seine Tante sollte ihr die höfische Etikette beibringen, und glücklicherweise schien Gabriella zumindest auf Sara zu hören, die sie sehr zu mögen schien.
Die Contessa hatte sich geduldig Gabriellas Beschwerden angehört und war ihr gleichzeitig eine hilfreiche Stütze im Palastalltag gewesen. Verärgert dachte Ricardo daran, dass bereits heiße Gerüchte kursierten. Man ging davon aus, dass die junge Braut des Fürsten schwanger war. Unter den tatsächlichen Umständen konnte er derartige Gerüchte nur als lächerlich bezeichnen. Energisch schob er einen Stapel Papiere von sich weg.
Schwanger! Das war ja lachhaft. Ricardo wusste nicht einmal, wie er und Gabriella in Zukunft mit körperlicher Nähe umgehen sollten. Der Tag am Wasserfall war nichts weiter als eine traumhafte Erinnerung, und seitdem war er Gabriella nicht mehr nahe gekommen. Aber ihm blieb immerhin dieser wunderschöne, unbeschreiblich erotische Moment!
Es störte Ricardo, dass Gabriella ihn ganz bewusst auf Abstand hielt. Für gewöhnlich fanden Frauen ihn unwiderstehlich. Aber sie wies ihn energisch ab, wenn er auch nur den kleinsten Versuch unternahm, das Verhältnis zwischen ihnen etwas aufzuwärmen. Kopfschüttelnd sah er auf die Nachricht, die seine Geliebte Ambrosia ihm hinterlassen hatte. Darauf wollte er später antworten, wenn er sich im Klaren darüber war, wie es weitergehen sollte.
„Meine Güte, du siehst ja hinreißend aus!“ Prinzessin Constanza, Ricardos hübsche, jüngere Schwester, war gerade erst mit ihrem Mann Wilhelm von Wiesthun und ihren beiden entzückenden Kindern angereist.
Regungslos blieb Gabriella vor dem Spiegel stehen und ließ die Assistenten der Designerin ein paar letzte Details am Brautkleid richten. Obwohl sie angespannt war, lächelte sie die junge Frau an, die mit zwei reizenden Kindern an der Hand das Zimmer betrat.
„Hallo, hallo.“ Constanza, eine achtundzwanzigjährige brünette Schönheit in einem kostspielig aussehenden Kleid aus blassrosa Satin, stürmte auf Gabriella zu und küsste sie auf beide Wangen. „Ich habe gehört, was alles passiert ist. Du armes, armes Ding! Mir tut das mit deinem Vater wahnsinnig leid. Und jetzt bist du an Ricardo gebunden“, fügte sie trocken hinzu, schnitt eine Grimasse und ließ sich recht unelegant auf ein kleines Sofa fallen. „Er kann
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