JULIA EXTRA BAND 0262
Und das Schlimmste war: Ricardo hatte einen unbeschreiblich starken Einfluss auf sie, der ihr Angst machte. Jedes Mal, wenn sie an den Ausflug zum Wasserfall dachte, zitterte sie vor Aufregung. „Ich denke darüber nach“, versprach sie schließlich.
„Nicht zu lange, hoffe ich“, erwiderte er trocken. „In fünf Tagen ist der Monat zu Ende. Wenn wir bis dahin nicht verheiratet sind, verlierst du dein gesamtes Erbe. Ich habe die Hochzeitsvorbereitungen schon in die Hand genommen. Dein Kleid wird in dieser Sekunde fertiggestellt, und morgen haben wir die erste Probe für die Zeremonie. Du wirst noch viele Details für das Protokoll lernen müssen. Schließlich wird es buchstäblich ein Staatsakt werden.“
„Wie konnte Daddy mir das nur antun?“, flüsterte sie, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. „Ich bin mittellos, wenn ich mich nicht seinem Willen füge. Dabei hat er mir doch sonst immer alles gegeben, was ich brauchte.“
„Er hat dich nicht mittellos zurückgelassen. Er wollte lediglich sicherstellen, dass dich niemand ausnutzen kann“, sagte Ricardo zum etwa hundertsten Mal. „Du bist eine sehr reiche, junge Frau, Gabriella.“
„Eine solche Sichtweise ist doch vollkommen lächerlich, altmodisch und chauvinistisch“, brauste sie auf. „Und du denkst genau wie er! Weil ich jung und zudem eine Frau bin, denkst du, ich kann mich nicht selbst um meine Finanzen kümmern.“
„Um ganz ehrlich zu sein, denke ich genau das“, gab er kühl zu. „Mach, was du willst! Aber an deiner Stelle würde ich mich darauf einrichten, in drei Tagen zu heiraten. Die Vorbereitungen sind getroffen, und die Zeremonie findet am Donnerstagnachmittag in der Kathedrale von Maldoravien statt.“
„Und wenn ich mich weigere?“
„Dann wirst du allein in die Welt hinausgehen müssen ohne finanzielle Unterstützung, und ich erhalte dein Erbe“, erklärte er unumwunden.
„In Ordnung. Wenn du damit glücklich bist, nur zu! Ich will das verdammte Geld nicht. Du kannst es haben!“ Wütend sprang sie auf und starrte Ricardo feindselig an. „Mir ist dieses Geld egal. Ich gehe nach London, werde modeln und mir ein eigenes Vermögen verdienen. Ich …“
„Gabriella, hast du die leiseste Ahnung davon, wie viele Mädchen sich als Model versuchen? Die Prozentzahl derer, die erfolgreich werden, ist verschwindend gering. Und jetzt setz dich bitte wieder hin und benimm dich nicht wie ein verwöhntes Kind!“
„Ich bin kein verwöhntes Kind“, verteidigte sie sich. „Ich habe Rechte.“
„Wenn du nicht einlenken solltest, werden diese Rechte spätestens Samstag Morgen null und nichtig werden. Ich schwöre dir, Gabriella, solltest du dich nicht vernünftig benehmen, werde ich keinen Finger rühren, um dir zu helfen.“
„Ich hasse dich, Ricardo“, zischte sie wütend.
„Das klingt ja zauberhaft“, murmelte er sarkastisch und nahm ein Finanzmagazin zur Hand, während Gabriella zum hinteren Ende des Flugzeugs rauschte, um sich zu beruhigen.
Die nächsten zwei Tage gab es unendlich viel zu tun. Seit Gabriella in Maldoravien gelandet war, wurde sie von persönlichen Assistenten, Bediensteten und vor allem von Ricardos charmanter Tante Contessa Elizabetta umschwärmt. Obwohl Gabriella Ricardo kaum zu Gesicht bekam und sich ziemlich einsam und verloren fühlte, genoss sie den Trubel um sich herum. Besonders die Kleideranproben für das Brautkleid und die Aussteuergarderobe machten ihr Spaß.
Am Mittwochnachmittag saß sie mit der Contessa und ihrer eigenen persönlichen Assistentin Sara zusammen. Sara war eine dreißigjährige Engländerin mit ausgezeichneten Referenzen und sehr guten Verbindungen. Zuerst war Gabriella skeptisch, doch dann fasste sie schnell Vertrauen zu ihrer neuen Assistentin. Sowohl die Contessa als auch Sara wussten über Gabriellas Kummer Bescheid und versuchten stets, sie zu beruhigen und aufzuheitern.
Der Donnerstag begann als wunderschöner, sonniger Frühlingstag. Von ihrem Zimmer aus konnte Gabriella auf das glitzernde Mittelmeer blicken. Seufzend stand sie auf ihrem Balkon und dachte über ihre missliche Lage nach. Ihre eigene Hilflosigkeit machte sie verrückt. Noch nie hatte sie derart die Kontrolle über ihr eigenes Leben abgeben müssen.
Und es half nicht, dass sie sich gefährlich stark von ihrem zukünftigen Mann angezogen fühlte. Schon jetzt war ihr schlecht vor Eifersucht bei dem Gedanken daran, wie er mit einer anderen Frau im Bett lag. Entschlossen nahm sie sich vor,
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