JULIA EXTRA BAND 0262
welchen Schmerz sie ihm zugefügt hatte. Aber sie konnte die richtigen Worte nicht finden.
Dann erschien eine Frau mit strohblondem Haar und einem breiten Lächeln auf der Veranda. An ihrer Küchenschürze wischte die Frau sich die mehligen Hände ab. „Hallo“, sagte sie und streckte Erin zur Begrüßung ihre Rechte entgegen. „Sie müssen Erin sein. Ich bin Jenny Manning. Ich habe mich total darauf gefreut, Sie kennenzulernen.“
Zu Erins Überraschung umarmte und küsste Jenny sie dann, als wären sie ebenfalls Cousinen.
„Oh, jetzt haben Sie Mehl abbekommen“, sagte Jenny und betrachtete bedauernd den weißen Fleck auf Erins elegantem blauen Kostüm.
„Das macht nichts.“
„Keith ist noch draußen auf der Weide“, informierte sie Luke. Erin nahm an, dass Keith der Mann war, der die Farm managte. Bestimmt entsprach Jenny einer perfekten Buschfrau, der es überhaupt nichts ausmachte, wenn ihr Mann öfters das Haus verließ.
„Bist du so nett und zeigst Erin ihr Zimmer?“, fragte sie Luke. „Ich kann mich in der Zwischenzeit um die Jungen kümmern.“
Luke nickte und ging voran. So blieb Erin nichts anderes übrig, als ihm zu folgen.
Alles auf Warrapinya kam ihr vertraut und gleichzeitig neu vor. Die Veranda, auf der man durch eine große Flügeltür ins Haus gelangte, hatte sich kaum verändert. Aber das Haus war weiß gestrichen worden und wirkte dadurch sehr frisch. Zu beiden Seiten stand eine Reihe von Farnen in großen Kübeln, die den Eingang sehr einladend wirken ließen.
Ganz rechts entdeckte Erin ein improvisiertes Zelt, das aus Decken, Wäscheklammern und Besenstielen zusammengebaut war, ein idealer Schlafplatz für Jungen.
Alles, was Erin sah, weckte Erinnerungen in ihr. So viele Erlebnisse, gute wie schlechte. Besonders, als Luke eine Tür öffnete und sie ein breites Bett erblickte, auf dem eine Patchworkdecke in Pink, Weiß und Blau lag.
„Nein“, flüsterte sie, „hier kann ich unmöglich schlafen.“
Das war ihr Zimmer gewesen, sie selbst hatte die Decke aus Amerika mitgebracht.
Luke und sie hatten dieses Bett geteilt. Oh, und wie sie es geteilt hatten!
„Ich habe Jenny gebeten, das Zimmer für dich herzurichten“, sagte er schroff. „Die meisten deiner Sachen hängen noch im Schrank.“
„Ist das denn nicht dein Zimmer?“
Ein bitteres Lächeln umspielte seine Lippen. „Du glaubst doch wohl nicht, ich hätte es benutzt, nachdem du gegangen bist, oder?“
Das Atmen fiel Erin schwer. „Ich … keine Ahnung. Aber ein anderes Zimmer wäre mir lieber.“
Er setzte ihre Tasche neben dem Bett ab.
„Warum? Was ist an diesem Zimmer falsch?“
Wie konnte er nur so unsensibel sein? „Willst du mich etwa bestrafen?“
„Ich bin nur aus praktischen Gründen in ein anderes Zimmer umgezogen, Erin. Ein Doppelbett ist nützlich für Gäste. Meine Eltern schlafen immer hier, wenn sie zu Besuch kommen. Ich hätte nicht gedacht, dass es dir so viel ausmachen würde, wo du schläfst.“
„Etwas ausmachen?“ Am liebsten hätte sie ihn geohrfeigt. „Jetzt hör aber mal auf, Luke. Ich versuche nur …“ Doch dann gab sie sich plötzlich geschlagen. „Ich habe ja nur gefragt, ob es noch eine andere Möglichkeit gibt. Dieses Zimmer ist prima.“
Er war schon fast draußen. „Findest du dich allein zurecht? Dann kann ich nämlich Joeys Sachen verstauen.“
„Ja, klar. Wo schläft Joey denn?“
„Auf der Veranda mit den anderen Jungen.“
„Das macht ihm sicher großen Spaß.“
Wie begeistert Joey davon gewesen war, bei den drei anderen Jungen im Zelt schlafen zu dürfen, konnte sich Erin gut vorstellen. Einen größeren Unterschied zu ihrem urbanen Leben in New York hätte sie sich kaum denken können.
Bestimmt gefiel ihm alles hier – die Freunde, die Pferde, die jungen Hunde … sein Dad … und weil Winter war, musste er nicht unter der Hitze leiden.
Mit einem Mal kehrte ihre Angst zurück. Würde Joey überhaupt jemals wieder nach Hause zurückkehren wollen? Würde er sich nicht einsam fühlen, ganz allein mit seiner Mutter?
Und dann dachte sie … wenn Luke und sie zusammengeblieben wären, hätte Joey inzwischen bestimmt einen Bruder oder eine Schwester.
Was für ein nutzloser, überflüssiger Gedanke!
Luke stürmte wie von Sinnen durchs Haus.
Er war ein Idiot. Ein erstklassiger Idiot. Er musste verrückt gewesen sein, Erin hierher einzuladen.
Aber er hatte der Versuchung einfach nicht widerstehen können. Erin übte immer noch dieselbe starke
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