JULIA EXTRA BAND 0262
vorsichtshalber auf Joey. „Er hatte einen langen Tag. Wenn wir ihn jetzt zu lange schlafen lassen, will er heute Abend bestimmt nicht ins Bett.“
Luke stand auf. „Dann sollten wir ihn besser wecken.“
„Hey, Joey.“ Erin schüttelte ihn behutsam. „Wir müssen langsam zurückgehen.“
Luke beugte sich zu ihr und hob seinen Sohn hoch.
„Komm schon, Kumpel. Du kannst auf meinen Schultern reiten.“
Schläfrig lächelte Joey, während Luke ihn auf seine Schultern hob. Erin stellte sich neben sie, ihr Herz pochte wie wild.
Auf dem Rückweg zur Farm beobachteten sie, wie die Sonne langsam unterging. Joey zeigte sich nicht sehr gesprächig, während Luke ihm die Tiere und Vögel der Gegend zeigte.
Obwohl er sich so aufgeschlossen um Joey bemühte, verhielt Luke sich Erin gegenüber weiterhin kühl und distanziert. Insgeheim fragte sie sich, ob sie sich sein wunderbares Lächeln am Fluss nur eingebildet hatte.
Nach dem Abendessen baten die Jungen Luke, ihnen eine Gutenachtgeschichte zu erzählen. Jenny und Erin räumten derweil die Küche auf.
„Die Jungs lieben Lukes Geschichten“, sagte Jenny, während sie die Geschirrspülmaschine füllte. „Trotzdem ist es ein Wunder, dass sie danach keine Albträume haben.“
„Warum?“, fragte Erin. „Sind die Erzählungen so unheimlich?“
„Allerdings, aber das gefällt ihnen ja so“, erklärte Jenny lachend. „Je unheimlicher, desto besser. Du kennst die Storys – es geht immer darum, wie die Helden mit knapper Not irgendwelchen wilden Tieren oder blutrünstigen Piraten entkommen.“
Erin lächelte. „Luke hatte schon immer ein Talent zum Schreiben, aber früher hatte er nie Zeit dafür. Wenigstens nicht, als wir zusammen waren.“ Wieder dachte sie zurück an den Tag, an dem sie ihn kennenlernte. Damals sagte er den Termin mit einem Agenten ab. Oft hatte Erin sich gefragt, was aus Lukes Träumen von der Schriftstellerei geworden war.
Überrascht sah Jenny sie an. „Hat Luke dir nicht erzählt, dass er wieder zu schreiben begonnen hat?“
„Nein, davon hat er gar nichts gesagt.“
Jenny runzelte die Stirn. Wortlos klappte sie die Geschirrspülmaschine zu und trat zum Spülbecken, wo Erin gerade die Töpfe schrubbte. Die Arme vor der Brust verschränkt, sagte Jenny schließlich: „Ich weiß, es geht mich nichts an. Aber gibt es wirklich überhaupt keine Möglichkeit, dass ihr beiden wieder zusammenkommt?“
Erin errötete. „Nein, ganz sicher nicht. Warum fragst du?“
Nun wirkte Jenny unangenehm berührt. „Keine Ahnung. Wunschdenken, nehme ich an.“
Eifrig wischte Erin an einem Topf. „Joey hat hier eine tolle Zeit. Ich fürchte mich schon vor dem Moment, wo die Ferien zu Ende sind und er sich von Luke verabschieden muss.“
„Für Luke wird es bestimmt noch schlimmer sein. Er wird euch beide wieder verlieren. Sag mal, willst du dir eigentlich die Finger wund schrubben? Diesen schwarzen Fleck kriegst du nie weg, er ist seit Jahren da.“
Erin lachte. „Ja, seit ich damals den Grill verbrannt habe. Das ist übrigens öfters passiert, als wir noch verheiratet waren.“
Kaum hatte sie den Satz ausgesprochen, stiegen andere Bilder aus ihrer Vergangenheit vor Erin auf. Wie Luke sich ihr von hinten näherte, während sie am Spülbecken stand. Um sie zu umarmen und zu küssen. Sie konnte sich noch genau an die Zärtlichkeiten erinnern, die er ihr damals ins Ohr geflüstert hatte – und daran, wie ihr dabei immer gleichzeitig heiß und kalt geworden war.
Wie hatte sie nur zulassen können, dass diese perfekte Liebe zerstört wurde?
Rasch trocknete Erin sich die Hände ab und versuchte, an etwas anderes zu denken. Doch plötzlich begann ihre Unterlippe unkontrolliert zu zittern.
Ohne ein Wort zog Jenny sie an sich und umarmte sie.
Erin liefen die Tränen die Wangen herab. „Ich hätte nie gedacht, dass es so schwer sein würde, hier wieder mit ihm zusammen zu sein“, flüsterte sie.
„Ich weiß, ich weiß“, sagte Jenny beruhigend.
Ihr Mitgefühl gab Erin den Rest. Bevor sie wusste, wie ihr geschah, weinte sie sich schon an Jennys Schulter aus. Sie weinte um ihre verpatzte Ehe und darum, wie Luke ihren Blick heute erwidert hatte.
Irgendwann rief Erin sich ins Bewusstsein, dass sie sich nicht so gehen lassen durfte. Jenny war schließlich Lukes Cousine – bestimmt hatte sie etwas dagegen, dass Erin sich bei ihr ausheulte. Mit aller Macht bemühte sich Erin, die Tränen zurückzudrängen. Schließlich hob sie den Kopf,
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